Freizeit im Fünfseenland:Chaos an den Ufern

Herrsching: Seewinkel

Wer an einen der Seen im Fünfseenland will, braucht zunächst vor allem Geduld. Parkplätze sind Mangelware, und so steht manches Auto so, dass andere behindert werden.

(Foto: Nila Thiel)

Der Ansturm der Ausflügler aufs Fünfseenland nimmt seit Jahren zu, die Corona-Pandemie verschärft die Probleme. Die Besucher aus München und dem Umland parken Hauseinfahrten und Rettungswege zu. Unterwegs mit einem Verkehrsüberwacher.

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Die Fahrt von Utting nach Wörthsee ist für Emil Brunner so, als würde er vom Regen in die Traufe kommen. Schon am Ammersee war am Vormittag die Lage auf den Parkplätzen katastrophal, am Wörthsee ist sie am Nachmittag unerträglich. Hinter dem Rathaus kreisen die Autofahrer in der Hoffnung, dass jemand einen Platz freimacht. Nur stockend geht es auf der schmalen Seestraße voran.

Radler bahnen sich ihren Weg, Badegäste bilden eine lange Schlange vor dem Eiswagen. "Es wird immer schlimmer", sagt Emil Brunner, der in Wirklichkeit anders heißt. Aber aus verständlichen Gründen will er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen: Er arbeitet beim "Zweckverband Kommunales Dienstleistungszentrum Oberland" als Verkehrsüberwacher - und verteilt Knöllchen. In 40 Minuten hat er an diesem Sommersonntag sieben Verwarnungen erteilt. Gerade erhöht er den Strafzettel seines Kollegen von zehn auf 30 Euro. Das Auto steht seit der Früh auf dem Parkplatz, das Parkticket ist längst abgelaufen.

Die Schönheit des Fünfseenlands ist Fluch und Segen zugleich. Seit Jahren nimmt der Ansturm auf den Starnberger See, den Ammersee, den Weßlinger See, den Pilsensee und vor allem auf den Wörthsee zu. Die Folge sind überfüllte Straßen, volle Stellplätze, zugeparkte Einfahrten, Wiesen und Rettungswege. Die Kommunen melden den Radiosendern, wenn alles dicht ist, appellieren an die Ausflügler, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Die Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg (GWT) informiert auf ihrer Homepage rund um die Uhr über Staus, überfüllte Parkplätze und voll besetzte Strandbäder. Die Wirkung: wenig bis gar keine. Die Corona-Pandemie hat die Probleme noch einmal verschärft. Die Menschen machen jetzt Urlaub daheim, es treibt sie ins Grüne und an die Seen. Darunter sind auch immer mehr Stehpaddler, die ihre Boards ins Wasser lassen.

Emil Brunner ist mittlerweile am Badeplatz Rossschwemme auf der anderen Seite des Wörthsees. Auf der Zufahrt und auf dem Parkplatz Chaos pur. Ein Wagen steht halb in die Straße und behindert alle. Macht zehn Euro. Zwei Besucher stellen ihre Autos einfach neben das Halteverbotsschild mit dem Zusatz "Rettungsweg". Kostet je 35 Euro. Mehrere Campingmobile parken auf dem Parkplatz - verbotswidrig. Die mag der 62-Jährige heute gar nicht mehr aufschreiben. Er hat erst einmal genug von fadenscheinigen Erklärungen - "das ist kein Camper, das ist ein Auto" - und Beleidigungen.

Am Abend zuvor hatte Brunner in Wörthsee eine Verwarnung ausgestellt, weil im Wagen kein gültiges Parkticket lag. Die Fahrerin kam dazu, sagte sie sei Notärztin und nur eine halbe Stunde dagestanden. Als Brunner ihr erklärte, er müsse alle gleich behandeln, habe ihm die angebliche Notärztin einen Herzinfarkt gewünscht und sich mit einem "Arschloch" verabschiedet. Seit drei Jahren macht Brunner den Job, "aber an so was gewöhnt man sich nie".

Wörthsee: Parksituation am Rathaus

Verkehrsüberwacher Emil Brunner (Name von der Redaktion geändert) hat an schönen Tagen gut zu tun mit Verwarnungen.

(Foto: Nila Thiel)

"Manchmal wünsche ich mir einfach nur schlechtes Wetter", sagt Christel Muggenthal. Die Wörthseer Bürgermeisterin hat täglich vor Augen, was sich am See abspielt, und stellt eine wachsende "aggressive Grundhaltung" der Leute fest. Der Ansturm beschränkt sich längst nicht mehr nur auf die Wochenenden. Auch an einem gewöhnlichen Montag steht der Parkplatz voll mit Autos mit den Kennzeichen M, FFB, A, EBE, MM oder N, auch ein paar STA sind dazwischen. Viel machen können die Kommunen nicht. Halteverbotsschilder aufstellen und Rettungswege ausweisen, einen Parkplatz mal mit dicken Baumstämmen sperren, wenn der Andrang in Corona-Zeiten zu groß wird. Oder einen Wall aufschütten, wie an der Staatsstraße zwischen Breitbrunn und Herrsching, wo vor allem Kitesurfer beidseitig ihre Fahrzeuge parkten, um an den Ammersee zu kommen. Auch die Staatsstraße bei Stegen ist bei schönem Wetter beidseitig zugestellt.

Dass der Freizeitdruck auf das Fünfseenland in der Corona-Pandemie noch stärker geworden ist, merkt auch Alexander Gebhardt von der Polizeiinspektion Herrsching. Die Beamten sind zuständig für die Staatsstraßen in sechs Gemeinden, "aber wir können nicht überall sein", sagt der Verkehrssachbearbeiter. Wer falsch parkt, wird mit 15 Euro verwarnt. Abgeschleppt wird eher selten, nur wo die Behinderung anderer wirklich enorm ist.

Gebhardt sagt: "Verhältnismäßig zu reagieren, ist uns sehr wichtig." Für den Verkehrsexperten gibt es nur eine Lösung: den ÖPNV stärken und ausbauen, wie es die Landkreise Starnberg und Fürstenfeldbruck vorgemacht haben. "Großes Lob dafür." Kämen die Münchner vorwiegend mit der S-Bahn, wäre auch den Kollegen am Starnberger See geholfen, die nach einem schönen Wochenende "wieder einmal" festgestellt haben, "dass die Parkmoral immer schlechter wird". An jenem Wochenende mussten die Beamten in Berg, Starnberg, Tutzing, Feldafing und Pöcking 67 Parkverstöße ahnden, heißt es im Polizeibericht.

Freizeit im Fünfseenland: Wenn nichts mehr hilft, sollen Wälle das Parken unmöglich machen wie an der Straße zwischen Breitbrunn und Herrsching.

Wenn nichts mehr hilft, sollen Wälle das Parken unmöglich machen wie an der Straße zwischen Breitbrunn und Herrsching.

(Foto: Arlet Ulfers)

Die Gemeinden können nur reagieren. In Wörthsee wird nun entlang der Ortsdurchfahrt ein Fahrradschutzstreifen angelegt, der nicht zugeparkt werden darf. "Die Schilder sind bestellt", sagt Muggenthal. Auf den Stellplätzen der Badeplätze Maistraße und Rossschwemme werden Höhenbegrenzungen von 1,95 Metern aufgestellt, damit keine Camper mehr dort parken können. Mit den Landwirten will Muggenthal reden, ob sie ihre Feldwege nicht mit Baumstämmen oder Wällen absperren könnten. Und sie will die Wasserqualität des Sees verstärkt prüfen lassen. Im August sei ein Seegespräch der drei Anliegergemeinden Wörthsee, Seefeld und Inning geplant, zu dem auch der Erholungsflächenverein, der Fischereiverein und das Rentamt Graf Toerring eingeladen seien. Und das Landratsamt Starnberg? "Wir wissen um die Probleme und stehen mit den Gemeinden und der GWT in Kontakt", sagt Sprecher Christian Kröck. Aber das Ganze sei nicht einfach. "Wenn es die eine Lösung gäbe, wäre sie längst umgesetzt."

Bei allem Verständnis für die Erholungssuchenden aus München, Fürstenfeldbruck oder Augsburg bedauert Bürgermeisterin Christel Muggenthal, dass die Einheimischen "nicht mehr tun können, was sie gerne möchten". Spontan an den See zu gehen und bei einem Bier, Wein oder Spritz den Sonnenuntergang zu genießen, sei momentan wegen Überfüllung nicht möglich.

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