Landkreis Starnberg:Lücke in der "Brücke"

Eine Brücke für jugendliche Straftäter; Brücke-Starnberg bietet:

Der persönliche Kontakt zu jungen Leuten, die straffällig geworden sind, ist ihnen wichtig: Corinna Büge und Gerd Weger.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wegen Corona hat der Verein jugendliche Straftäter im Vorjahr nur am Telefon beraten können. Zahl der Delikte nimmt ab

Von Cora Krüger, Starnberg

"Wir haben Zahlen. Aber hinter jeder Zahl steht ein Mensch, der am Anfang seines Lebens steht", sagt Gerd Weger, als er den Jahresbericht der "Brücke Starnberg" vorstellt. Er ist Vorsitzender des Vereins, der seit mehr als 40 Jahren jugendlichen Straftätern aus der Region zur Seite steht. Insgesamt 230 waren es im vergangenen Jahr, vier Sozialpädagogen kümmerten sich um sie. Dabei konnte der Verein 2020 nicht wie gewohnt arbeiten: Corona machte ein Umdenken erforderlich.

"Unsere Arbeit war immer von persönlichen Gesprächen geprägt", sagt die Sozialpädagogin Corinna Büge, die seit zehn Jahren bei der "Brücke" arbeitet. Durch den Ausbruch der Pandemie sei das jedoch nicht mehr möglich gewesen. Fast das ganze Team habe von zuhause aus gearbeitet, lediglich eine Person sei in den Räumlichkeiten der Brücke gewesen. Beratungsgespräche mussten notgedrungen telefonisch stattfinden.

Einige Methoden, wie zum Beispiel der Einsatz von Bildkarten oder Suchtbrillen, wurden dadurch unmöglich. "Es hat Jugendliche gegeben, die habe ich betreut und nie gesehen", erzählt Büge. Dennoch habe sie von ihren Klienten weitgehend positive Rückmeldungen erhalten. Oft hätten die jungen Leute zwar ein Umfeld, aber keine richtige Bezugsperson. Darum seien viele froh, in den Beratungsgesprächen endlich einen Ansprechpartner zu finden, erklärt die Sozialpädagogin.

Auch wenn das Team insgesamt eine positive Bilanz zieht, hofft es darauf, die Gespräche in naher Zukunft wieder in der "Brücke" führen zu können. Langfristig seien die Telefonate keine Lösung, findet der Vorsitzende Weger: "Das wäre den Jugendlichen nicht dienlich." Der persönliche Kontakt sei zu wichtig.

Auch die Sozialstunden, die einige der jungen Straftäter ableisten müssen, stellten die "Brücke" vor eine Herausforderung. Unter normalen Umständen gibt es rund 60 gemeinnützige oder kommunale Einrichtungen, an denen die Jugendlichen eingesetzt werden können. Durch die Pandemie wurde das Angebot deutlich eingeschränkt, teilweise seien im Winter nur noch fünf Stellen verfügbar gewesen. Deshalb seien die Fristen zur Ableistung der Sozialstunden auch öfter verschoben worden, erzählt Weger. Er hofft, dass bald wieder in allen Einrichtungen gearbeitet werden kann. Im Normalfall hätten die Klienten ein Mitspracherecht, wo sie die ihnen auferlegten Stunden ableisten wollen.

Im Vergleich zum Vorjahr landeten 2020 weniger junge Menschen in der "Brücke". 2019 waren es 278, ein Jahr später nur noch 230. Auch die Zahl der Delikte hat abgenommen. Vor allem Diebstähle und Körperverletzungen sind zurückgegangen. Das führt das Team auch auf die langen Lockdowns zurück, in denen Lokale und Geschäfte geschlossen waren. So hätte es schlicht nicht die Möglichkeit dazu gegeben. Alles in allem beobachtet Weger bei den Straftaten aber eine positive Entwicklung, "außer bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz". Diese waren mit 47 Fällen auch die am häufigsten begangenen Delikte. Insgesamt waren es 278 Vergehen.

Nach wie vor kommen die Jugendlichen aus allen sozialen Schichten. Zwei Drittel von ihnen sind Ersttäter, der Großteil (etwa 77 Prozent) ist männlich. Die meisten sind 17 Jahre alt. Auffällig sei der Anstieg von psychischen Problemen unter den Klienten, berichtet Weger. Das zeichne sich schon seit vier bis fünf Jahren ab. Davon erzählt auch Corinna Büge. Inzwischen sei es oft notwendig, für die jungen Straffälligen nach therapeutischer Unterstützung zu suchen.

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