Kultur in der Corona-Krise:"Kunst und Bier" in Andechs

Kultur in der Corona-Krise: Die Besucher können den Künstlern, darunter Hubert Huber, auch heuer bei der Arbeit zusehen.

Die Besucher können den Künstlern, darunter Hubert Huber, auch heuer bei der Arbeit zusehen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Am Heiligen Berg hat eines der wenigen Bildhauer-Symposien in Corona-Zeiten begonnen. Vier Künstler arbeiten an ihren Werken, darunter eine Wirtshauspforte und ein Wächter mit Flasche. Absperrbänder halten das Publikum auf Distanz.

Von Astrid Becker

Wer im Ortsteil Erling lebt, nahe am Kloster Andechs, dürfte sich an eines längst gewöhnt haben: Etwa 357 Tage im Jahr sind hier Kirchenglocken zu hören, an acht Tagen jedoch kreischen Kettensägen vom Heiligen Berg herab. "Kunst und Bier" heißt das Symposium, das hier seit 2002 abgehalten wird. Eine, wenn man so will, Open-Air-Vorstellung von Künstlern, die in dieser einen Woche vielen Tausend Menschen zeigen, wie Kunst entsteht, in diesem Fall Holzskulpturen zum Thema Bier. Heuer ist die Veranstaltung aber etwas anders als in all den vielen Jahren zuvor: Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen - auf der Skulpturenwiese unterhalb des Bräustüberls, wo das Ganze ausgetragen wird, bei den vier Bildhauern, die gekommen sind, aber auch bei Symposiumsleiter Hubert Huber, der selbst Künstler ist und sich seit vielen Jahren im Berufsverband Bildender Künstler engagiert.

Kultur in der Corona-Krise: Wegen der Corona-Pandemie muss man als Zuschauer hinter der Absperrung bleiben. Für Menschen, die wie Lukas Schmid mit Kreissägen hantieren, ist das kein allzu großes Problem: "Das erhöht die Sicherheit, man dreht sich ja auch mal um, gefährlich, wenn jemand hinter einem steht", sagen sie.

Wegen der Corona-Pandemie muss man als Zuschauer hinter der Absperrung bleiben. Für Menschen, die wie Lukas Schmid mit Kreissägen hantieren, ist das kein allzu großes Problem: "Das erhöht die Sicherheit, man dreht sich ja auch mal um, gefährlich, wenn jemand hinter einem steht", sagen sie.

(Foto: Arlet Ulfers)

"Ich hatte schon Angst, dass das Symposium sterben würde", sagt er an diesem Mittwochmittag auf der Wiese, während außen herum vier Menschen an ihren drei Kunstwerken hinter rot-weißen Absperrbändern vor gut 100 Schaulustigen arbeiten. Es ist eines der wenigen Symposien, die in diesem Jahr überhaupt noch stattfinden, "weil die Voraussetzungen hier dann doch gestimmt haben", wie Huber sagt, der von Anfang an so etwas wie die Seele dieses speziellen Kunst-Erschaffungsprozesses ist. Die Voraussetzungen: Damit meint er das Arbeiten unter freiem Himmel, an der frischen Luft, unter Wahrung von Abstandsregeln - und einen besonderen Umstand im Kloster selbst: Dort übernachten wegen der Pandemie derzeit keine Pilger. Deshalb können die Künstler, die im März noch vor dem Ausbruch der Pandemie von einer Jury ausgewählt worden sind, nun mit genügend Abstand und Wahrung aller Hygieneregeln untergebracht werden. "Im Kloster hat nicht jedes Zimmer einen eigenen Sanitärbereich", erzählt Huber. "Deshalb hat nun jeder eine eigene Etage, um das zu gewährleisten." Es ist ihm wie den vier Kunstschaffenden am Heiligen Berg deutlich anzumerken, wie froh sie sind, nun wenigstens hier in Andechs mit ihrer Arbeit Menschen für Kunst zu begeistern. Der 30-jährige Lukas Schmid aus Eggingen im Schwarzwald zum Beispiel: Wäre 2020 ein ganz normales Jahr, hätte er an fünf verschiedenen Symposien teilgenommen, in Deutschland, in der Schweiz, in Frankreich. "Aber das wurde alles abgesagt", sagt er.

Kultur in der Corona-Krise: Marina und Haymo Aletsee.

Marina und Haymo Aletsee.

(Foto: Arlet Ulfers)

Da war zum Beispiel das Bildhauersymposium in Sankt Blasien im Landkreis Waldshut. Zum 25. Mal hätte es heuer stattfinden sollen, doch das Virus machte das Jubiläum zunichte. Dafür ist Lukas Schmid nun bei der Ausstellung dabei, die alternativ rund um Corona und die Kunst ersonnen wurde: "Das ist super", sagt er, "aber auch, hier in Andechs dabei zu sein."

500 Euro bekommt jeder Künstler, der teilnehmen darf, zudem freie Kost und Logis im Kloster und alle Materialien, die er für sein Werk benötigt. "Bäume", sagt Huber, "also Eichen könnten wir mal wieder gebrauchen." Es ist nicht einfach geworden, seit die Georg-Zentgraf-Stiftung die Veranstaltung nicht mehr finanzieren kann. Die Klosterbrauerei sei dafür eingesprungen, "und das ist toll", sagt der Leiter: "Aber heuer, mit dem Lockdown, hat es ja keine Brauerei leicht." Und auch keine Kommune oder Landkreis: "Die Gemeinde Andechs hilft uns schon sehr, und auch vom Landkreis bekommen wir ein bisschen Geld", sagt er. Man hört aber zwischen den Zeilen, dass er sich mehr Förderung der Kunst wünschen würde, ganz jenseits von Corona: "Wir haben jetzt schon viel Hilfe vom Staat bekommen, aber Kultur ist ein Lebensmittel", sagt er, ohne das niemand existieren könne.

Kultur in der Corona-Krise: Haris Grimbs.

Haris Grimbs.

(Foto: Arlet Ulfers)

Wie schwierig das Leben als freischaffender Künstler ist, weiß auch Haris Grimbs aus München. Er ist heuer der Jüngste unter den Künstlern am Heiligen Berg. 23 Jahre ist er alt, ein Meister seines Fachs und zum ersten Mal bei einem Symposium dabei. Er arbeitet an einer Skulptur, die einerseits abstrakt, andererseits gegenständlich ist. Sie soll einen "Wächter" und eine "Flasche Bier" miteinander verbinden, sozusagen im harmonischen Gegensatz. Um sich sein Leben zu finanzieren, arbeitet er zwei Tage als Werklehrer an einer Privatschule und übernimmt Baumpflegearbeiten. "Dadurch geht es schon irgendwie", meint er und klingt dabei recht fröhlich. Darauf angesprochen, sagt er, er sei einfach froh, dass das Symposium stattfindet: "Ich hatte schon ein bisschen Angst, dass es abgesagt wird."

Das hatten auch Marina und ihr Vater Haymo Aletsee aus Pfronten im Allgäu. Sie sind vor einem Monat spontan für eine Künstlerin aus der Schweiz eingesprungen, die wegen der Pandemie abgesagt hatte. "Wir haben uns so gefreut, dass es nun doch klappt", sagt die 26 Jahre alte Glasbildhauerin, die mit ihrem Vater, dem Holzbildhauer, eine Wirtshaustür erschafft, die für sie der Beginn vieler Geschichten rund ums Thema ist. Die beiden können sich darüber hinaus glücklich schätzen. "Wir überstehen dieses Jahr, weil wir noch viele Aufträge aus dem Vorjahr haben", sagen sie.

Für viele andere wird es noch schwer werden, meint Hubert Huber, der nach eigenen Aussagen ohne die Hilfe des Staates pleite gegangen wäre: "Doch diese Hilfe läuft im September aus - ich kann nur allen raten, die es noch nicht getan haben, sie noch zu beantragen."

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