Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz und Wirtschaft:Einmal ohne, bitte!

Unverpackt-Läden sind im Trend und so etwas wie eine Kampfansage an den Verpackungswahn. Nun hat das erste Geschäft dieser Art im Landkreis Starnberg eröffnet. Die Gilchingerin Evi Thoma führt auf 90 Quadratmetern Verkaufsfläche auch Rares.

Von Lea Kropff

Gummibärchen aus Straubing und Tortillachips aus Niederbayern, vegane Kekse und Edelnussmixe, alles hübsch aufgereiht in Glasbehältern und handbeschriftet. Voller Stolz präsentiert Evi Thoma, Inhaberin von "Evi's ab ins Glas", ihre Süßigkeiten- und Knabberzeug-Auswahl neben der Theke des ersten Unverpackt-Ladens im Landkreis Starnberg. Schon geschickt, die Leckereien direkt neben der Kasse zu platzieren, so lockt die Verführung beim Zahlen. In dem großen Gummibärchen-Glas liegen allerdings nur noch zwei einsame Bärchen, sie sind zusammen mit Müsli, Nudeln und Haferflocken die Verkaufsschlager. Nur drei Wochen nach der Eröffnung sind alleine 25 Kilo Gummibärchen über die Theke gegangen. Evi Thoma wartet sehnsüchtig auf Nachschub.

"Die Resonanz in den ersten drei Wochen war total groß", schwärmt die Gilchingerin. "Dass es so gut losgeht, damit hätte ich gar nicht gerechnet." Dabei war der Weg dorthin ein langer. Die Gilchingerin hatte schon im September vergangenen Jahres den mutigen Entschluss gefasst, ihren Job als Arzthelferin zu kündigen und einen Unverpackt-Laden zu eröffnen. Sie war es leid, mit ihrer fünfköpfigen Familie alle zwei Wochen vier volle Gelbe Säcke rausstellen zu müssen, und sehnte sich nach einem Wandel: weg vom Plastik und den weit gereisten, unökologischen Produkten, hin zur Nachhaltigkeit.

Unverpackt-Läden sind ein Trend, der seit ein paar Jahren in den großen Städten und inzwischen auch in den Landkreisen Deutschlands Einzug erhält. Allein in München gibt es mehr als ein Dutzend Läden, in denen man Lebensmittel und Kosmetikprodukte in eigens mitgebrachte Gefäße und Behälter abfüllen kann. Allen gemeinsam ist die Vision, auf eine müllreduzierte und nachhaltige Gesellschaft hinzuarbeiten. "Jeder kleine Beitrag ist ein Schritt in die richtige Richtung. Man muss den Leuten dafür einfach nur mal den Druck nehmen, perfekt nachhaltig zu sein und zu handeln", sagt Evi Thoma.

Bis dato gab es im Umkreis von Gilching keine Alternative zu den konventionellen Supermärkten, und jedes Mal nach Fürstenfeldbruck zu fahren, widerstrebte Evi Thoma. "Irgendwann hatte ich keine Lust mehr zu warten, dass auch mal hier so ein Laden hinkommt. Da hab ich es einfach selbst gemacht", sagt sie und lacht. Sie ist in Gilching geboren und aufgewachsen, hat dort drei Kinder großgezogen. "Ich will schon, dass es hier so schön bleibt", erklärt sie und wirkt dabei nachdenklich. Die Themen Vermüllung, Klimawandel und soziale Ausbeutung in der Lebensmittelindustrie liegen der 46-jährigen ganz offensichtlich am Herzen. Deshalb gibt es bei "Evi's ab ins Glas" nur Produkte in Bio-Qualität, regional und umweltverträglich produziert. Drei Monate hat sie für die Zusammenstellung des Sortiments gebraucht. Nun beliefern sie Manufakturen und Jungbauern aus dem Fünfseenland und darüber hinaus mit ihren Waren. In 25-Kilo-Kartons kommen Nudeln, Reis und Linsen an, mit denen die großen Glasspender befüllt werden. Mit jedem einzelnen der Erzeuger steht sie in persönlichem Kontakt, zu vielen ist sie hingefahren, um sich von der Qualität der Produkte zu überzeugen. Nichts wurde dem Zufall überlassen: Evi Thoma weiß sogar, wo die getrockneten Äpfel im Crunchy-Müsli herkommen, nämlich aus dem alten Land, der traditionellen Obstregion vor den Toren Hamburgs. Es gibt auch Dinge, die sie nicht anbieten kann, darunter Fleisch und Backwaren, oder nicht anbieten will, wie Obst, Gemüse oder Tee. "Wir haben hier direkt um die Ecke einen wunderbaren Markt, zweimal die Woche. Und ein super schönes Teegeschäft. Ich will niemandem aus meiner eigenen Gemeinde irgendwie blöd Konkurrenz machen", sagt sie. Generell sei ihr Laden eine Ergänzung zum Supermarkt- und Markteinkauf, man kann schon einiges hier bekommen, aber eben nicht alles. Dafür besondere Waren, zum Beispiel Nussmuse aus einer Hamburger Manufaktur und ausgefallene Gewürzmischungen von "Tante Fine" aus der Nähe von Würzburg. Die Preise für die speziellen Waren sind zwar "ne Mark mehr", wie die Gilchingerin sagt "aber die Menschen sind bereit, für die Qualität zu zahlen." Und Fussilli kosten auch nur 30 Cent pro 100 Gramm. Das sind normale Barilla-Preise.

Thoma hält ihre Vision nicht für eine Utopie. Denn die Nachfrage nach ihren Produkten ist groß. Gerade sind ihre Eltern zur Ladentür hereingekommen, sie strahlt: "Die beiden sind 80 und unterstützen meine Idee auch total!" Der Laden füllt sich nun um die Vormittagszeit, im Moment dürfen auf den 90 Quadratmetern Verkaufsfläche acht Leute gleichzeitig ihre Gläser und Leinsäcke mit Waren auffüllen. Eine Kundin fragt nach fluoridfreier Zahnpasta in Tablettenform. Thoma hat sie da.

Dass die Gilchingerin mit ihren Kunden in engem Kontakt steht, merkt man sofort. Ihr ist wichtig, dass das Einkaufen Spaß macht und entschleunigt. Wenn im Herbst jetzt auch noch die oft nachgefragte Schokolade dazu kommt und das Flüssigwaschmittel vom lokalen Produzenten, wird es wohl bei dem großen Zuspruch bleiben.

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Quelle:
SZ vom 18.08.2020
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