Gilching:Dornröschenschlaf im Toteiskessel

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Was nach Kahlschlag und Umweltfrevel aussieht, ist Renaturierung wertvoller Flächen: (v.l.) Projektleiterin Petra Gansneder von der Unteren Naturschutzbehörde, Planer Alexander Siuda und Landrat Stefan Frey. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Naturschutzgebiet "Gilchinger Wildmoos" zwischen den Landkreisen Starnberg und Fürstenfeldbruck soll renaturiert werden. Damit es nicht weiter austrocknet, sind umfangreiche Bauarbeiten notwendig.

Von Patrizia Steipe, Gilching

Gilching - Kettensägen kreischen, dann hört man den dumpfen Aufprall eines Baumstamms. Ein Waldarbeiter packt den Fichtenstamm mit dem Greifer seines Raupenbaggers und manövriert den Stamm auf einen Stapel. Daneben sind Männer in Schutzkleidung damit beschäftigt, eine Spundwand aus Fichtenbrettern in einem alten Entwässerungsgraben anzulegen, Akkuschrauber lärmen. Die Männer haben Gummistiefel an, denn der Boden gibt häufig nach, und dann stehen sie im Wasser. Was aussieht wie Kahlschlag und Umweltfrevel - schließlich finden die Arbeiten mitten im Naturschutzgebiet Wildmoos statt -, ist aber genau das Gegenteil: Das Wildmoos soll renaturiert werden, und dafür sind umfangreiche Bauarbeiten notwendig.

Seitdem das Gilchinger Wildmoos 1979 zum Naturschutz- und 2000 zum FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) erklärt worden war, liegt das 45 Hektar große Gebiet zwischen den Landkreisen Starnberg und Fürstenfeldbruck im Dornröschenschlaf. Doch wegen der Entwässerungsgräben, die in früheren Zeiten für den Torfabbau angelegt worden waren, droht das Moos auszutrocknen. Dazu kommt, dass die vielen Fichten dem Erdreich zusätzlich Feuchtigkeit entziehen und die Moorvegetation verdrängen, erklärt Petra Gansneder, die bei der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Starnberg das Moorprojekt leitet.

Über Stock und Stein und mitten durch den Matsch geht es derzeit ins Wildmoos. Bei der Exkursion dabei sind Cornelia Siuda von der Regierung von Oberbayern, Bürgermeister Manfred Walter, Georg Zankl vom Bauernverband, Landrat Stefan Frey und Michael Padberg vom Unternehmerverband. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Renaturierung soll zu einem "Meilenstein für den Klima- und Umweltschutz in unserem Landkreis werden. Ein echtes Lehr- und Lernprojekt", freut sich Landrat Stefan Frey beim Projektstart. Bis er zur Baustelle gelangte, musste er sich aber zunächst durch den verwilderten Forst durchschlagen. Notdürftig war der anfangs noch trockene Weg auf einem Torfdamm freigeschnitten worden. Dann muss die Gruppe über Baumstämme klettern, Gräben voller Moorwasser überwinden; immer wieder versinken die Exkursionsteilnehmer bis über die Knöchel in den nachgebenden Boden.

Mit schwerem Gerät sind Spezialisten im Gilchinger Wildmoos unterwegs, um Sperren in die vor Jahrzehnten angelegten Entwässerungsgräben einzubauen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Links und rechts des Weges liegen gefällte Fichten. An der Baustelle haben Arbeiter mit Hilfe spezieller Bagger Nut- und Federbretter in die Gräben getrieben. Die Bagger haben ihren Schwerpunkt durch die breiten Ketten so verteilt, dass sie kaum ins Erdreich sinken. Etwa 30 Dammbauwerke sollen nun in verschiedenen Gräben entstehen, manche sind bis zu 1,5 Meter tief. "Mit dem Einbau der Torfdämme in den vielen Seitengräben und im Hauptgraben wird der Wasserabfluss aus dem Moor verhindert", erklärt Gansneder. Nachdem die Dämme mit Torfmaterial aufgefüllt und abgedeckt wurden, sind sie kaum mehr von der Umgebung zu unterscheiden. Wenn das Wasser aufgestaut und der Wasserstand angehoben ist, könne sich die ursprüngliche Flora und Fauna des Moores, die in diesem Toteiskessel nach der Eiszeit entstanden ist, wieder ausbreiten und neuer Torf entstehen, hofft Landschaftsökologin Cornelia Siuda, Fachkraft des Klimaprogramms "Bayern und Moore" der Regierung von Oberbayern.

Intakte Moore können gewaltige Wassermengen zurückhalten und bieten somit Schutz gegen Hochwasser.

Die Fähigkeit Wasser zu speichern ist einer der Gründe für die Renaturierung. Intakte Moore können gewaltige Wassermengen zurückhalten und bieten somit Schutz gegen Hochwasser. Zum Beweis reißt Siuda ein Büschel Torfmoos ab: "Das kann das 27-fache des Eigengewichts zurückhalten", erklärt sie und drückt die Pflanze zusammen. Wie bei einem vollgesogenen Schwamm rinnt Wasser durch ihre Finger. "Außerdem binden Moore C02". Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei einer Entwässerung des Moores Torf abgebaut und das darin enthaltene C02 freigesetzt wird. Nach der Renaturierung könnten 500 Kilo Co2 pro Hektar Fläche im Jahr eingespart werden.

Das Naturschutzgebiet Wildmoos zählt zu den größten Hochmoor- und Übergangsmoorgebieten im Landkreis. Während ein Hochmoor von Regen gespeist wird, erhalten Niedermoore ihre Feuchtigkeit vom Grundwasser. Ein Übergangsmoor ist eine Mischung aus beiden. Im Wildmoos findet sich noch ursprüngliche Hochmoorvegetation mit Sonnentau, Moos- und Rauschbeere. Im Bereich der trockeneren Torfstiche hat sich eine Heidevegetation mit Torfmoosen, Rohrkolben und Seggen durchgesetzt.

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Vor 100 Jahren seien die Entwässerungsgräben im Moor gezogen worden, erklärt Gansneder. Die Bevölkerung heizte bis zum Erdölboom mit Torf. Das erklärt, warum das Gebiet einst in mehr als 100 Parzellen eingeteilt worden war: Jede Familie sollte einen eigenen Torfstich haben. Für die Renaturierung hatte das eine zehnjährige Vorlaufzeit mit Verhandlungen zwischen Landratsamt, den Moorspezialisten aus der Regierung und 130 Grundeigentümern zur Folge. "Ich bin froh, dass die Mehrheit der Eigentümer dem Projekt positiv gegenüber steht", freut sich der Landrat. Doch es fehlen noch Zustimmungen. "Deswegen kann der Hauptgraben noch nicht angestaut werden", bedauert Gansneder.

Mit der ökologisch aufgewerteten Biotopfläche können "Ökopunkte" für Ausgleichsflächen gesammelt werden

Der Gilchinger Bauernobmann Georg Zankl hat als Grundeigentümer bereits zugestimmt. Der 68-jährige erinnert sich daran, wie in seiner Kindheit die Bauern mit dem Schubkarren ins Moos gegangen sind, um Torf und Holz rauszuholen. Eine mühsame Arbeit sei dies gewesen. Wegen des instabilen Bodens konnte man weder mit dem Traktor noch mit einem Pferdefuhrwerk in das Moos fahren. Und der Holzertrag sei nur gering gewesen, da die Bäume wegen der großen Nässe schlecht wuchsen, ergänzt Gansneder. Zankl ist mit der Naturschutzmaßnahme auf seinem Grund sehr zufrieden. Mit der ökologisch aufgewerteten Biotopfläche könne er "Ökopunkte" für Ausgleichsflächen sammeln, die bei Baumaßnahmen benötigt werden.

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