Süddeutsche Zeitung

Andechs:Der Banker, der Falco ins Dorf holte

Ein Geldinstitut, bei dem man auch Futtermittel bekommen kann? Johann Oberhofer hat dieses Modell gelebt. Nach 44 Jahren bei der VR-Bank ist er nun in den Ruhestand gegangen. In dieser Zeit schleppte er nicht nur Futtersäcke, er lockte auch Popstars an den Heiligen Berg.

Von Susanne Hauck

Die Volks- und Raiffeisenbank tickte vielleicht schon immer ein wenig anders als andere Geldinstitute. Jedenfalls drückte der Chef wohl ein Auge zu, wenn ein junger Banklehrling die Haare übers halbe Gesicht wachsen lassen und sich lieber mit modischem Schnauzer statt bravem Seitenscheitel an den Schalter stellen wollte. Wenn er sein Abbild auf dem Foto aus den Endsiebzigern sieht, muss Johann Oberhofer jedenfalls selber lachen. Die Haarpracht, sie ist ihm im Lauf der Jahre zwar abhanden gekommen. Geblieben ist die Freude am Kontakt mit Menschen.

Vor wenigen Wochen ist Oberhofer, 65, in Ruhestand gegangen, nach 44 Jahren bei der VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg, bei der er alle wichtigen Posten durchlaufen hat - vom Vermögensberater, Filialleiter und Prokuristen bis zum langjährigen Pressesprecher und zuletzt Marketingchef. Bei der Bank, "die mehr bietet als Geld und Zinsen", wie der unverwüstliche Slogan lautet, und zu deren Selbstverständnis es gehört, auch Futtermittel an den Mann zu bringen.

Auch für Oberhofer war es ganz normal, im Lagerhaus mit anzupacken: Wenn in Erling oder Frieding der Bauer kam und ein paar Zentner Dünger brauchte, dann warf sich der junge Bankkaufmann schnell den blauen Arbeitsmantel über und lief vom Schalter in die benachbarte Verkaufsstelle, um sich die schweren Säcke aufzuladen und auf den Traktor zu stemmen. Dass sich der Kunde diebisch freute, wenn der Bursch' dabei ordentlich ins Schnaufen geriet, gehörte ebenfalls zu den Gepflogenheiten der Verkaufshandlung.

"Mir liegt das Bodenständige", sagt der Erlinger, der als Kind bei seinen Großeltern noch Kühe gehütet hat. Oberhofer erläutert die Besonderheiten der VR-Banken, die so fest im ländlichen Raum verwurzelt sind: Sie wurden im 19. Jahrhundert mit dem Ziel ins Leben gerufen, der notleidenden bäuerlichen Bevölkerung, die von den hochnäsigen städtischen Geldhäusern keine Kredite bekamen, unter die Arme zu greifen. Weil es Genossenschaftsbanken sind, ist ein Kunde zugleich Mitglied und als solches auch Miteigentümer. Die Kunden bestimmen so die Politik der Bank mit.

So gehören zu den typischen Geschäftsfeldern auch Einkaufsverbände, um etwa beim Futtermittellieferanten bessere Preise auszuhandeln. Das erklärt die typischen, der Bank angeschlossenen Lagerhäuser für Viehfutter, Saatgut, Dünger, Kälbermilch und Gerätschaften. Umgekehrt stützt die Bank auch die Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Als es etwa die Münchner Pfanni-Werke noch gab, hätten sie der Knödelfabrik genossenschaftlich die Kartoffelernte der hiesigen Bauern weiterverkauft, erinnert sich Oberhofer. Es ist diese Kraft der Gemeinschaft, die ihm immer besonders gefallen hat.

Wie man mit Geld umgeht, das lernte der Hans, wie ihn viele nennen, schon als kleiner Bub im Hotel seiner Eltern, die von 1962 bis 1987 das "Seeheim" in Wartaweil gepachtet hatten. Unten an der großen Liegewiese stand der Kiosk, wo Oberhofer die Badekabinen und Liegestühle vermietete. "Eine Mark am Tag kostete das", erinnert er sich. Zehn Prozent der Einnahmen durfte er als Taschengeld behalten. Als er mitbekam, dass die Badegäste heiß auf Steckerleis waren, lag er seiner Mutter so lange in den Ohren, bis diese widerwillig die kostspielige Gefriertruhe für seinen Kiosk anschaffte. Aber nur unter einer Bedingung: Der Zehnjährige hatte alles selbständig auf die Reihe zu bringen. So musste er aufpassen, dass ihm weder die Verkaufsschlager wie Capri und Nucki-Nuss ausgingen, noch das Kleingeld zum Rausgeben. Die Mutter schärfte ihm aber auch den Dienstleistungsgedanken ein, der ihn durchs Leben trug: "Arbeiten musst du, wenn Gäste da sind, nicht, wenn du Lust dazu hast."

Im Dezember 1977 startete Oberhofer in der Erlinger Bankfiliale, noch ganz altmodisch ohne jede EDV, mit dem Einsortieren der Kontoauszüge und dem abendlichen Kassenschluss, bei dem alles bis auf den Pfennig stimmen musste. Der junge Bankangestellte wusste schon bald, dass er gut mit Leuten kann und fand, dass es der VR-Bank doch gut zu Gesicht stünde, zur Abwechslung mal der Dorfjugend was zu bieten. Ludwig Mörtl, der damalige Bürgermeister und Vorstand der Genossenschaftsbank, hatte ein offenes Ohr: "Hauptsache, es kommt eine schwarze Null dabei raus", befand der Bürgermeister, und so organisierte Oberhofer in den Achtzigerjahren ziemlich unbekümmert die legendären "Montagskonzerte" mit Popgrößen wie der Spider Murphy Gang und Wolfgang Ambros bei den Erlinger Volksfesten.

Reinhard Fendrich stärkte sich vor dem Auftritt noch schnell bei Oberhofers Mutter auf der Terrasse. Falco, bürgerlich Hans Hölzel, kam natürlich mit einstündiger Verspätung. "Wer bist du", wollte der bei seinem Eintreffen nicht mehr ganz nüchterne Popstar damals wissen. "Ich bin der Hans", begrüßte ihn Oberhofer. Und Falco freute sich: "Super, ich bin auch der Hans." Das war 1992, beim letzten Montagskonzert.

Umtriebig war Oberhofer schon immer. Ein Jahr zuvor hatten ihm 14 Millionen Menschen bei "Wetten dass..?" zugeschaut, wo er mit seinem Herrschinger Spezi, dem Graf Hubert, zu zweit auf einem Paar Ski stand, um sich mit den Ski-Assen Franz Klammer und Frank Wörndl zu messen. Eigentlich nur eine Faschingsgaudi, die sich beide ausgedacht und auf gut Glück beim ZDF eingereicht hatten, ohne zuvor einen Testlauf absolviert zu haben.

Natürlich hätte Oberhofer für die berufliche Karriere auch nach München gehen können. Aber er blieb bewusst dem Land, der karitativen und sozialen Botschaft der Genossenschaftler verpflichtet. Auf Oberhofers Wort war Verlass. Er betreute für die VR-Bank Jugendskifreizeiten, Reisegruppen, Kindermalwettbewerbe. Der ehemalige Landesliga-Kicker des TSV Herrsching kümmerte sich beim Wettbewerb "Sterne des Sports" um die Vereine, gab den Anstoß zur Gründung der Bürgerstiftung und auch zur Aufstellung erster E-Ladesäulen im Landkreis. Jetzt, in Rente, bliebe Johann Oberhofer endlich mehr Zeit zum Durchschnaufen in seinem wunderschön renovierten, 350 Jahre alten Erlinger Bauernhaus - wäre da nicht Junghund Dobby, der ihn und seine Frau Andrea weiterhin täglich auf Trab hält.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2022
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