Landgericht:Sturz mit bösen Folgen

Ein 79-Jähriger glaubt, am Ammersee über eine Hundeleine gefallen zu sein, und klagt auf 263 000 Euro Schadenersatz

Von Christian Deussing, Herrsching/München

Es geht um eine Hundeleine als Stolperfalle und um 263 000 Euro als Schmerzensgeld und Schadenersatz. Ein 79-jähriger Hamburger soll vor vier Jahren auf der Herrschinger Seepromenade bei einem Spaziergang in der Dunkelheit über die 1,75 Meter lange Leine eines Hirtenhundes gefallen sein. Zwei Monate nach dem Vorfall hatte der Rentner eine Hirnblutung erlitten, die er auf seinen Sturz am Uferweg zurückführt. Der Mann ist seitdem ein Pflegefall und erheblich behindert. Er verklagte deswegen den Mann, der damals einige Minuten für seine Freundin die Leine gehalten hatte, vor dem Landgericht München II.

Im Zivilprozess bestritt jedoch der Beklagte, dass der Spaziergänger über die Leine des Hundes gefallen sei. "Ich habe zwar auf den See hinausgeschaut und erst beim Umdrehen gesehen, dass der Mann plötzlich mit dem Rücken auf dem Boden lag", sagte der Leinenhalter, dem fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. "Es gab aber gar keinen Ruck an der kurzen Leine, die nicht gespannt gewesen war. Und der Hund blieb auch brav sitzen", schilderte der Mann, der im westlichen Landkreis wohnt, vor Gericht die Situation. Der Rentner sei zudem ansprechbar gewesen. Und: "Meine Freundin kam in dem Moment von der Toilette zurück, wir halfen dem Mann auf und boten an, einen Krankenwagen zu rufen, was er ablehnte", erinnerte sich der Beklagte. Er glaube, dass der Senior an einer sehr unebenen Stelle am Uferweg gestolpert sein könnte, weil dort Baumwurzeln das Pflaster aufgerissen hätten.

Der Kläger konnte wegen seiner Behinderung nicht am Prozess teilnehmen. Dafür aber seine Ehefrau, die seinerzeit auf der Promenade mit ihrem Ehemann spazieren gewesen war und nun als Zeugin aussagte. Plötzlich habe er auf dem Boden gelegen und den anderen Mann beschimpft, "gefälligst auf seinen Hund aufzupassen", berichtete die 72-jährige Hamburgerin. Sie betonte, dass sich ihr Partner sofort sicher gewesen sei, über eine Hundeleine gestürzt zu sein. Die Frau gab allerdings in der Verhandlung zu, dass ihr Mann unter einer "Fußhebeschwäche" leide. Hierbei zeigte sie der Richterin einen rechten Schuh mit Stützschiene, versicherte aber, dass er "sehr sicher damit gegangen" sei. Überdies hätten sie Herrsching schon oft besucht und den Weg am Ufer gut gekannt.

Auch die Freundin des Beklagten musste aussagen und den Vorfall aus ihrer Sicht schildern. Dabei ergaben sich keine Widersprüche zu dem, war ihr Lebensgefährte zum Ablauf des Geschehens gesagte hatte. Doch die Anwältin des Klägers hakte nach und wollte genau wissen, ob er nicht auch der Hundehalter sei. Denn der Beklagte hatte zuvor im Prozess erklärt, auf den Hirtenhund seiner Gefährtin schon tagelang aufgepasst zu haben, wenn sie beruflich unterwegs gewesen sei. Die Rechtsanwältin des Hamburgers vermutet, dass der Mann am Unfalltag nicht nur die Aufsichtspflicht gehabt habe, sondern auch der Tierhalter gewesen sei.

Nun muss diese haftungsrechtliche Frage geklärt werden - ebenso, ob tatsächlich die Hundeleine den Unfall verursacht hat. Sollte dies der Fall sein, müsste ein medizinischer Sachverständiger prüfen, ob der Sturz die Hirnblutung ausgelöst haben könnte. Mit einem Urteil wird in gut zwei Monaten gerechnet.

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