Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Abenteuerlich

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Jazz-Trios aus Berlin in der Schlossberghalle

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Die Starnberger Schlossberghalle zu füllen, ist oft mühsam. Manfred Frei und seine Loft Music GmbH als Veranstalter der Reihe "All that Jazz @ Starnberg" hält dies trotzdem nicht davon ab, das Publikum mit anspruchsvollen Konzerten bisweilen mächtig zu fordern. Weil Frei sich bemüht, dem zeitgenössischen Jazz ein Podium zu bieten, bekommen die Besucher der Reihe immer wieder neue Gesichter zu sehen. Am Puls der Zeit zu bleiben, ist allerdings heute ein höchst spekulatives Unterfangen, verlaufen doch unzählige Entwicklungen parallel zueinander und lassen nicht selten alle Grenzen zwischen den Genres und Gattungen verschwimmen. Und gerade wenn Neue Musik als starke Komponente mit im Spiel ist, geht das Interesse des Publikums deutlich zurück.

Deshalb Hut ab vor denen, die kamen, und noch mehr vor denen, die blieben. Wobei Marc Schmollings Trio Ticho (tschechisch für Stille) im ersten Teil zweifelsohne die schwerere Kost anbot. Nicht nur, weil Jazz und Neue Musik darin avantgardistisch miteinander verschmolzen, sondern auch, weil eine dritte Komponente verstärkt zum Einsatz kam: Die Ad-hoc-Improvisation, in der es keinerlei Vorgaben und Grenzen gibt. Zumindest weitgehend, denn Pianist Schmolling kündigte zum Teil auch auskomponiertes Material an. So bewegte sich die Musik zwischen rein experimenteller Improvisation und klar ausformulierten Elementen, von der Charakteristik her elegisch und durchaus mit psychedelischer Neigung. Der britische Trompeter Tom Arthurs und die bulgarische Geigerin Biliana Voutchkova erwiesen sich dabei als vielseitige Virtuosen und auch als experimentierfreudige Mitstreiter mit Sinn für Atmosphäre.

Ticho setzte in den dialogisierenden Passagen auf Reibungen und aufgeladene Spannung, gerade in Schmollings impulsivem Fast-Zwölftonspiel. Doch in den fesselnden Stücken etwa zum Thema "Stille" oder "Mitternacht" gab es auch wohlige Momenten, gerade im Klangmix zwischen Violine und Trompete. Das Kathrin Pechlof Trio zielte mit Soundscapes und atmosphärischen Färbungen eher aufs Schönmalerisch-Mystische, oft auch Meditative ab. Der weitschweifende Saxophonist Christian Weidner ließ die schwebenden Höhen atmen, E-Piano und Rhodes sowie eingespielte Loops des Belgiers Jozef Dumoulin brachten fremdartige Stimmungen ins Spiel. Vor allem aber auch irritierende Kontrastklänge, die immer wieder auf die Sinntiefe der Musik verwiesen. Abenteuerlich allemal, und ein spannender Einblick in die Berliner Szene.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2017
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