Kunstausstellung:Perfekt gerundet

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Die "Lesedame" von Claudia Menger ist aus Beton. Aber ein Blickfang gegenüber dem Eingang des Weßlinger Pfarrstadels. (Foto: Nila Thiel)

Die Weihnachtsausstellung der Hobbykünstler im Weßlinger Pfarrstadel gibt einen guten Überblick über das kreative Potenzial in der Gemeinde. Es geht aber nicht nur um Kunst, sondern auch um die gemeinsame Begegnung

Von Patrizia Steipe, Weßling

Das schwere Essen, der Alkohol, die kerzengeschwängerte Luft der Weihnachtstage, all dies wird in Weßling mit einer ganz besonderen Methode bekämpft. Das Dorf pilgert am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag traditionell in den Alten Pfarrstadel. Hier stellen die Künstler der Umgebung ihre neuen Werke aus, hier trifft man sich aber nicht nur, um die Aquarelle, Ölbilder, Fotografien, Skulpturen und Schmuckstücke zu bewundern. Die Hobbykünstlerausstellung ist seit 57 Jahren ein geselliger Treffpunkt, um sich ein bisschen auszulüften, gute Wünsche auszutauschen und darüber zu staunen, wie vielfältig die Kunstszene in der kleinen Gemeinde doch ist.

"In diesem Jahr wurde ich fast überrannt", berichtete Organisatorin Konstanze von Rebay. Sie habe sogar ein paar Künstlern absagen müssen, denn mehr als 41 Teilnehmer wären an den Mauern und Stellwänden im Pfarrstadel nicht unterzubringen gewesen. Alle freien Flächen waren dicht behängt, sogar die Fensterscheiben waren miteinbezogen worden.

Das Tageslicht, das durch das Papier durchschien, verlieh den Fotovergrößerungen von Monika Treppners Pflanzendetails einen besonderen Schein. Das Beste aus der beengten Situation zwischen zwei Stellwänden hatte Florian Hagena gemacht. Die künstlerische Aufnahme eines Motorradfahrers, der mit seiner Maschine scheinbar schwerelos durch die Lüfte wirbelte, brach aus den vorgegebenen Grenzen der Stellwand. Neonbunte rote und gelbe Bänder zogen sich spinnenwebartig vom Rand des Fotos bis zu dem Gebälk des Pfarrstadels und sicherten dem Künstler somit die Aufmerksamkeit der Besucher.

Ein Neuling bei der Ausstellung ist Valerij Sluscenka. Der Künstler aus Lettland wohnt erst seit kurzem in der Gemeinde. Um das Organisatorische im Vorfeld zu besprechen, musste er auf die Hilfe einer Übersetzerin zurückgreifen. Seine Fotoaufnahmen vom Weißen Meer, von der Ostsee, Paris und dem Sonnenaufgang am Weßlinger See sprachen aber für sich: Kunst braucht keine Übersetzung. "Die Ausstellung ist in diesem Jahr so facettenreich wie nie zuvor", freute sich Konstanze von Rebay.

Wolfgang Leibnitz' liebliche Aquarelllandschaften in pastelligen Farben "von unterwegs" hingen neben den Bildern eines aggressiv-dynamischen Skiolympioniken von Ute Kirchhoff, gegenüber dem Eingang hatte Claudia Menger ihre aus Beton geformte "Lesedame" platziert, ein paar Schritte weiter lagen die weichen Filztaschen mit ihren niedlichen applizierten Tieren von Petra Schurian. Auch Konstanze von Rebay hatte für die Ausstellung gemalt. "Spiegelungen" hieß ihre lichte grün-gelbe Impression von jungem Wald, der sich im Wasser spiegelt.

An den 2014 mit 87 Jahren verstorbenen Peter Stephan erinnerte die Vitrine mit Radierungen im Foyer. "Weinendes Kind" hieß eine der kleinformatigen Radierungen, "der Butt" oder "Zwergschule". Mit ihren intensiven ausdrucksstarken Gesichtern zogen die Figuren die Betrachter in Bann. Eingebettet in eine fantasievolle, dichte Landschaft wirkten sie wie Relikte aus einer längst vergangenen Zeit.

Goldschmiedemeisterin Christine Annau hat bei der Hobbykünstlerausstellung bereits ihren festen Platz in einer Vitrine am Ende des Treppenaufgangs. Ihre Abschlussarbeit zur Schmuckdesignerin lag auf Glasplatten: filigrane Flechtwerke aus Pferdehaar, die mit Silber zu Schmuckstücken gebändigt worden waren.

Besonders interessiert verharrten die Besucher vor Angela Reiks Exponaten. "Huhn oder Ei?" hatte die Fotografin ihre Werke übertitelt. Sechs Hühnereier hatte die Künstlerin auf die Leinwand gebannt. Ein jedes bestach durch seine perfekten Rundungen und doch glich kein Ei dem anderen. Darunter hatte Reik Fotos gehängt. Auf denen hatte sie ein Küken beim Schlüpfen aus dem Ei begleitet. Anfangs sah man erst das kleine Loch in der Eierschale, später das in seine enge Behausung hineingeschmiegte Vogelbaby und dann ausgewachsenen Seidenhühner mit ihrem weißen Federnkleid, liebevoll gehalten von einem kleinen Mädchen.

Und dann sind da noch die kleinen Tonfiguren aus Brigitte Werners Tonkrippe. Jedes Jahr modelliert die Künstlerin eine weitere dieser dickbackigen, runden und fröhlich wirkenden Gestalten, die sich dann auf den Weg zur Heiligen Familie im Stall machen.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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