Kunst:Ritter der Neuzeit

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Die Künstlerinnen der Gedok befassen sich in ihrer Tutzinger Ausstellung "The Future Is Present" mit Masken, der Klimakatastrophe und dem Überleben in der Zukunft

Von Katja Sebald, Tutzing

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(Foto: Nila Thiel)

Als wär's das Visier eines Ritterhelms: Ihr Bild "Schutzhelm" zeigt Anneliese Neumann in der von...

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(Foto: Nila Thiel)

... Penelope Richardson (im Bild) und Inge Kurtz kuratierten Ausstellung in der Evangelischen Akademie.

Der sommerliche Bilderwechsel in der Akademie für Politische Bildung bedeutet nach eineinhalb Jahren Pandemie auch ein kleines Stück Normalität. Die weitaus meisten in der Münchner Gedok organisierten Künstlerinnen haben allerdings diesmal Arbeiten eingereicht, die von "Normalität" weit entfernt sind und sich vielmehr den drängenden Fragen der Gegenwart stellen. "The Future Is Present - Are You ready?" lautet das Motto der Ausstellung, die wie immer ein Jahr lang zu sehen sein wird und diesmal schon vor der Eröffnung von der zur Gegenwart gewordenen Zukunft des Klimawandels eingeholt worden ist.

Die Klimakatastrophe ist denn auch das Thema der Münchner Künstlerin Anne Pincus. Die Bilder von verheerenden Waldbränden überall auf der Welt waren Anlass für ihr dystopisches Gemälde, das einen kahlen Wald unter einem immer noch roten Himmel zeigt. Das Leben in Form von einzelnen Moospflanzen ist jedoch bereits zurückgekehrt. Pincus schreibt dazu: "Letztlich möchte ich an die Widerstandsfähigkeit der Natur glauben - nach dem Winter, nach einem Brand, nach jeglicher Zerstörung - wieder zu wachsen."

Fleischfarben hingegen ist das "Mooskissen", für das Patricia Lincke Latexrundungen, die wie weibliche Brüste aussehen, in Nylonstrümpfen arrangierte und dann fotografierte. Die Künstlerin will mit dieser Arbeit ein "Flechtwerk an mutigen Frauen" versinnbildlichen. Dazu stellt sie die Frage: "Wo wären wir heute, hätten die Mächtigen dieser Welt mehr ihre weibliche Seite eingesetzt und auf ihre Intuition gehört?"

"Heldinnen" hat die in München lebende Künstlerin Silke Bachmann ihr Bild eines merkwürdigen Trios genannt. (Foto: Nila Thiel)

Noch einen Schritt weiter geht Penelope Richardson, die nicht nur als Künstlerin an der Ausstellung beteiligt ist, sondern zugleich mit Inge Kurtz auch als Kuratorin fungierte. Mit "Streaming" hat sie eine dreiteilige Bildserie überschrieben, für die sie Menschen mit einer roten Wünschelrute fotografierte: Man könne mit diesem Instrument Nachrichten und Botschaften aus dem Himmel empfangen, schreibt sie in ihrem Statement - und fügt vorsichtshalber hinzu: "Wir müssen zuversichtlich sein und Optimismus haben."

Susanne Wagners Collage "Am seidenen Faden". (Foto: Nila Thiel)

Diesen Optimismus hat Anneliese Neumann bereits verloren. Sie vergleicht in ihrem Bildpaar die allgegenwärtige FFP2-Maske mit dem Visier eines Ritterhelms und beklagt sich, dass durch die Atemschutzmaske die Brille beschlägt, dass man sich also nicht mehr sieht, dass sich außerdem unter der Maske die Stimme verändert und die Verständlichkeit vermindert wird. Sie fragt: "Wird das eine feste Einrichtung, die künftig zu unserem Leben gehört?"

Julia Smirnova fotografierte in Wien einen am Straßenrand abgestellten ältlichen Fernseher und irgendwo im Süden ein wartendes Hündchen. Mit ihrer merkwürdig poetischen Bildserie geht sie der Frage nach, wie der Einzelne in der urbanen Welt der Zukunft überleben wird. Susanne Wagner zeigt feinsinnige Collagen von Menschen, die nurmehr durch einen "seidenen Faden" am Leben gehalten werden. Katharina Schellenberger rettete sich mit Zeichnungen von rätselhaften Verpuppungen durch den Lockdown, und Ulrike Prusseit fand in der "seltsamen Stille" der angehaltenen Zeit "eine Art Stillleben" des eigenen Selbst. "Ja, wir werden die Zukunft neu erfinden müssen, und sie wird uns neu erfinden", schreibt sie zu ihren geheimnisvollen Arbeiten. Und so wird der Weg durch die Gänge der Akademie, in denen diesmal Bilder und Objekte von insgesamt 21 Künstlerinnen versammelt sind, vor allem eine inspirierende Anregung zum Nachdenken über die zur Gegenwart gewordene Zukunft. Zeit dafür hat man noch sieben Monate, dann gibt es wieder einen Bilderwechsel in Tutzing.

Die Ausstellung ist bis Mai 2022 von Montag bis Freitag zwischen 8 und 17 Uhr in der Akademie für Politische Bildung in Tutzing zu besichtigen.

© SZ vom 24.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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