Kunst:Monokultur mit Milchvieh

Gesine Dorschner, Künstlerin aus dem Einbauschrank, präsentiert ihre erste Ausstellung in der Herrschinger Bauernschule. Neben ihren typischen, bewusst vagen Fotoarbeiten sind auch reizvolle Risographien von Zuchttieren und Strandszenen zu sehen

Von Katja Sebald, Herrsching

Wer jemanden wie Gesine Dorschner ins ehrwürdige Haus der Bayerischen Landwirtschaft einlädt, ist selbst schuld: Wo die Herrschinger Designerin und "Gelegenheitskünstlerin" bisher ausgestellt hatte, mussten danach die Abrissbagger anrücken. Ganz so schlimm wird es diesmal nicht kommen - aber ein paar schwarze Haare in der Milch und ein lautes Muhen in den Gängen mussten schon sein. Und bei der Vernissage, so erzählt man, sollen die Wände schon gewackelt haben.

Gesine Dorschner im Haus der bayerischen Landwirtschaft

Bei ihren Fotografien arbeitet Dorschner unter anderem mit Textelementen. Reproduktion: Franz Xaver Fuchs

Für Dorschner, die im sogenannten echten Leben als Grafikdesignerin arbeitet, ist es die erste Einzelausstellung, deshalb hat sie für diese Werkschau den Titel "Monokultur" gewählt. Als Mitglied der Gruppe "Künstler aus dem Einbauschrank" trat sie 2012 erstmals in Herrsching in Erscheinung. 2014 wurde das Kollektiv mit dem Kulturförderpreis des Landkreises Starnberg ausgezeichnet und zuletzt verwandelten die Künstler im vergangenen Sommer das ehemalige Herrschinger Sporthaus Henle in eine temporäre Galerie.

Gesine Dorschner im Haus der bayerischen Landwirtschaft

Gesine Dorschners Bilder sind derzeit im Haus der bayerischen Landwirtschaft in Herrsching zu sehen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Typisch für die Gruppe sind künstlerische Eingriffe, die sich direkt auf den jeweiligen Ausstellungsort beziehen. Und so hat Dorschner auch nicht einfach schöne Bilder an die Wände des Seminargebäudes gehängt, sondern hat sich tief ins Archiv der "Bauernschule" hineingegraben und von dort gleich eine ganze Kuhherde mitgebracht: Die historischen Abbildungen von Zuchttieren verschiedener Rassen fand sie in Katalogen der Weltausstellungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Diese Motive druckte sie mittels Risographie, einem speziellen Schablonendruckverfahren, in Gold auf schwarzen Untergrund, sodass sie nun wie geheimnisvoll archaische Ikonen von Tiergottheiten wirken.

Gesine Dorschner im Haus der bayerischen Landwirtschaft

Eine Kuh in goldener Farbe, gedruckt auf scharzem Papier. Reproduktion: Franz Xaver Fuchs

Und ja, Dorschner konnte es sich nicht verkneifen, im Gang vor diesen Kuhbildern eine Installation aus Vollmilch und H-Milch aufzubauen: Während aus den Tiefen der Vollmilchtüte ein vollmundiges Muhen zu hören ist, bleibt die Flasche mit der H(aar)-Milch ein ganz und gar optisches Erlebnis. Risographien sind auch die minimalistischen Bilder von Strand- und Wasserszenen, die nach fotografischen Vorlagen entstanden sind. Bei diesem Verfahren wird üblicherweise schwarz oder monochrom gedruckt, auch Sonderfarben sind einfach herzustellen. Und so sind auch hier die Motive besonders reizvoll, die als Negative in Gold auf schwarzes Papier gedruckt wurden: Einige wenige schwarze Schilfhalme etwa, die sich wie Scherenschnitte vor einer golden glitzernden Wasserfläche abzeichnen.

Gesine Dorschner im Haus der bayerischen Landwirtschaft

Die Künstlerin verwendet für ihre Arbeiten verschiedene Techniken und Stilmittel. Reproduktion: Franz Xaver Fuchs

Im großen Foyer schließlich zeigt Dorschner die für sie typischen großformatigen Fotografien in hellen Pastelltönen, bei denen sie Überbelichtung und extreme Unschärfen gezielt als Gestaltungsmittel einsetzt. So fotografierte sie beispielsweise eine Stunde lang Passanten am Odeonsplatz in München. Auf den vier aus dieser Serie gezeigten Bildern ist jedoch die Architektur des Platzes nicht mehr zu erkennen, sondern nur eine helle und offenbar weite Fläche. Lediglich der Titel der Bildserie verweist auf den Ort des Geschehens.

Und auch von den Passanten ist nur so das sichtbar geblieben, was die Fotografin brauchte, um ihre Geschichte zu erzählen: Kaum mehr als flüchtige Schatten sind die beiden Radfahrer, die eilig aneinander vorbeistrampeln und schon fast wieder verschwunden sind. Gehört der schwarze Hund dort hinten zu der Dame im gepunkteten Mantel hier vorne oder ist auch das nur eine zufällige Begegnung? Haben die Frau im orangefarbenen Kleid und der Mann in der orange gemusterten Hose einander gerade zugelächelt, so von Farbtupfer zu Farbtupfer? Es sind Bilder von Geschichten, die vielleicht stattgefunden haben, vielleicht irgendwo außerhalb des Bildes eine Fortsetzung finden, vielleicht aber auch nur geträumt oder gedacht wurden.

Diese surreale und vage Anmutung steht in einem krassen Gegensatz zu dem, was der Betrachter üblicherweise von einer fotografischen Abbildung erwartet - und eröffnet ihm gerade deshalb einen Raum für eigene Assoziationen. Gleiches gilt für die sommerlichen Motive von einer Schiffsreling, von Booten im Hafen und einem Kind mit Taucherbrille, die gleichsam eine freundliche Einladung zu einer Urlaubsreise ins Blaue darstellen.

Die Ausstellung "Monokultur" ist noch bis zum 8. April 2019 jeweils montags bis freitags von 7.30 Uhr bis 19 Uhr und am Wochenende nach telefonischer Absprache im Haus der bayerischen Landwirtschaft in der Riederstraße 70 in Herrsching zu besichtigen.

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