Kunst:Hinein ins kühle Blau

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Eine Ausstellung im "Blauen Haus" in Dießen versammelt knapp 70 Arbeiten zum Thema "springen"

Von Katja Sebald, Dießen

Ganz verschiedene künstlerische Herangehensweisen an ein und das gleiche Thema: Hier „Die Über-Glücklichen“ von Andrea Matheisen. (Foto: Arlet Ulfers)

Das "Blaue Haus" in Dießen bekommt gerade einen neuen knallblauen Anstrich, und auch in seinem Inneren steht derzeit alles im Zeichen der Farbe Blau: "Biennale Blau" heißt die Ausstellung, die bereits zum zweiten Mal von Christiane Graf, Elke Jordan und Gregor Netzer organisiert wird. Als Kuratorin haben sie diesmal die Kunsthistorikerin Urte Ehlers verpflichtet. Gezeigt wird eine Auswahl von knapp siebzig Arbeiten aus den Bereichen Zeichnung, Malerei, Druckgrafik, Fotografie und Skulptur. Gemeinsames Thema aller Arbeiten ist "springen" - und die meisten dieser Sprünge finden ins kühle nasse Blau statt.

Auch in diesem Jahr ist die Bandbreite der Exponate denkbar groß: Sie reicht von einem großen blauen Punkt auf Papier, mit dem Thorsten Fuhrmann das Thema allein mit dem Mittel der Farbe ohne gegenständliche Elemente umsetzen wollte, bis hin zu einem Gemälde in Öl auf Leinwand, mit dem der Maler Thomas Beecht ein Freibad aus den Sechziger Jahren detailgenau bis zum Mosaik auf der Wand der Schwimmhalle und dem Schnitt der Badehose zeigt. Dazwischen gibt es eine Vielzahl von Preziosen wie etwa die Serie mit Radierungen der Münchner Künstlerin Anna Kiiskinen oder das Täfelchen mit dem Titel "Boat People", das so klein ist, dass man daran vorbeigehen und das Thema übersehen könnte.

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(Foto: Arlet Ulfers)

"blue planet" von Ulrike Spangenberg.

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(Foto: Arlet Ulfers)

"Über den Tellerrand" von Moritz Steinhauser.

Das Spektrum reicht im Bereich der Fotografie von einer fast abstrakt anmutenden Wasseroberfläche, die Hermann Valentin Köhler am Moldau-Stausee fotografierte über den türkisblauen Startblock mit der Nummer 3, den Harry Sternberg für seine Reihe "en passant" mit dem Smartphone im Schwimmbad von Greifenberg festhielt, bis hin zu der wundersam erzählerischen Retro-Schwarz-Weiß-Fotografie von drei nackten Badenixen, die der Dießener Jürgen Wassmuth als analogen Silber-Gelatine-Print zeigt. Und sie reicht schließlich im Bereich von Objekt, Skulptur und Installation von den kleinen "Sprungtüchern" aus Papier, die Ulrike Spangenberg für ihre Arbeit "blue planet" aufgespannt hat, über die drei grob geschnitzten Figuren von Badenden in roter Badekleidung, mit denen Jörg Herz sich dem Thema mit Kettensäge und Humor nähert, bis zur der Installation "Über den Tellerrand" von Moritz Steinhauser: Die Arbeit entstand im Rahmen seines Kunstpädagogikstudiums und besteht aus einer Serie von 18 Keramiktellern, die am Rand eines Holztisches so platziert wurden, dass sie gerade noch die Balance halten.

Diese Arbeit steht in vielerlei Hinsicht für das, was diese Ausstellung abgesehen von einer Vielzahl von sommerlich-fröhlichen, mal mehr und mal weniger plakativen Badeszenen, zu bieten hat: Beim Lüften während des Aufbaus wagte bereits der erste Teller den "Sprung" von der Kante und zerschellte auf dem Boden - und man darf wohl davon ausgehen, dass weitere folgen werden. Man kann diese Arbeit als Sinnbild dafür lesen, wie wenig doch passieren muss, um unsere gewohnte Ordnung aus dem Gleichgewicht zu bringen.

„Bereit“ von Oskar Imhof. (Foto: Arlet Ulfers)

Man kann diese Arbeit, für die Steinhauser sich erstmals mit Keramik auseinandersetzte und auf die Teller Figuren zeichnete, die buchstäblich "über den Tellerrand hinausblicken" auch als Annäherung an den Ausstellungsort lesen, schließlich wird in Dießen jedes Jahr, außer 2020, ein renommierter Preis für Keramikkunst vergeben. Man kann die Installation so interpretieren, dass sich Menschen auch und gerade in diesen neuen Zeiten um einen Tisch versammeln können. Und man kann sich in diesem Sinn auch den Organisatoren der Ausstellung anschließen können, die den schwierigen Umständen zum Trotz an ihrem Projekt festgehalten haben und im Vorwort zum Ausstellungskatalog schreiben: "Vielleicht ist ja 2020 auch ein Zeitsprung für unsere Gesellschaft, auf jeden Fall ist es ein Jahr, das vieles verändert."

Die Ausstellung "Biennale Blau - springen" ist bis zum 3. Oktober täglich von 13 bis 20 Uhr sowie am 4. Oktober von 10 bis 15 Uhr im Blauen Haus, Prinz-Ludwig-Straße 23 in Dießen zu sehen.

© SZ vom 21.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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