Süddeutsche Zeitung

Kulturprojekt:Märchenhafte Fantasiereise durchs Museum

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Ein Winterhörspiel nach Christian Andersens "Der Tannenbaum" führt in zehn Stationen durch das Museum Starnberger See. Als Sprecher ist der Schauspieler Stefan Wilkening zu hören.

Von Patrizia Steipe, Starnberg

"Das hässliche kleine Entlein", "Die kleine Seejungfrau" oder "Die Wilden Schwäne" sind Märchen, die wohl jeder kennt. Was die meisten aber nicht wissen - der dänische Autor Hans Christian Andersen weilte 1852 in Starnberg. König Max II. hatte ihn auf Schloss Berg eingeladen. Und während die beiden bei einem Ausflug mit dem Boot "Delphin" über den See zur Roseninsel glitten, las Andersen seinem Gönner angeblich Märchen vor. Die Delphin, die ihren Namen der hölzernen Galionsfigur zu verdanken hat, ist mittlerweile das Prunkstück des Museums Starnberger See ist. So lag es nahe, die beiden Aspekte zu verbinden. Herausgekommen ist ein Winterhörspiel. Mit einem Museums-Audioguide oder dem eigenen Smartphone können sich die kleinen und großen Besucher auf eine märchenhafte Fantasiereise durch die Museumsräume begeben. An zehn Hörstationen lauschen sie dem Andersen-Märchen "Der Tannenbaum" und bekommen einiges andere über die Räume und historischen Stuben im Museum vermittelt.

"Ein Museum ist ein Raum, in dem Geschichte erzählt wird", sagt Museumsleiter Benjamin Tillig. Statt Exponate in den Mittelpunkt zu rücken, sollte eine richtige Geschichte eine Parallelwelt im Museum entstehen lassen. Die Produktion hatte bereits 2019 begonnen. Wegen Corona musste die Premiere des Hörspiels auf 2021 verschoben werden.

Für den Text hat Tillig die Stadtführerin und Kunsthistorikerin Claudia Wagner gewinnen können. Sie hat schon mehrere Audio-Guides realisiert. Zum Beispiel den Audio-Spaziergang "König Ludwig II.", bei dem an sieben Stationen in Starnberg, Kempfenhausen, Berg und Leoni vom Leben und mysteriösen Tod des Monarchen im See erzählt wird. Für diesen Winter hat sie noch einen Hörspaziergang für den Starnberger Schlossgarten produziert. "Winter-Weihnacht mit König und Kaiserin" lautet der Titel des Stücks, das in die weihnachtliche Welt am Hofe der Wittelsbacher entführt und von der Geschichte Starnbergs und seiner Fürsten erzählt.

Beim Museumshörspiel beginnt die Führung in dem Schauraum direkt vor dem Boot Delphin. Sobald die erste Station aktiviert wird, hebt eine helle sphärische und sehr melodiöse Tonkulisse an. Man hört auch Möwengeschrei und Wasser plätschern, bevor der Starnberger Schauspieler Stefan Wilkening zu sprechen beginnt. Tontechniker und Produzent Michael Gottfried, Leiter für Musik und Ton am Residenztheater, hat die Texte in seinem Studio aufgenommen und mit Musik und Geräuschen ergänzt. Die Melodien hat er selbst komponiert und mit Gitarre, Kontrabass und Vibrafon eingespielt. "Wegen der Kontaktbeschränkungen war es nicht möglich Musiker zu engagieren", erklärt er. Finanziert wird die Produktion durch das Programm "Neustart", das die Bundesregierung 2020 für die von Corona gebeutelten Kulturbetriebe aufgelegt hat.

"Geh die Treppe hinauf ins oberste Stockwerk, dann die Brücke über den Delphin entlang zum gläsernen Balkon. Von dort wirst du unten im Garten ein kleines Tannenbäumchen sehen. Von ihm handelt mein Märchen", lautet eine Anweisung. Während des Wegs hört man helles Klingeln, Vogelgezwitscher und Naturgeräusche, die ungefähr so lange dauern, bis man an der nächsten Station angekommen ist.

Einfühlsam mimt Wilkening das kleine Tannenbäumchen, das sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich auch ein großer Baum zu werden "Wenn ich groß bin, dann werde ich glücklich sein", seufzt das Bäumchen. Auf der Tonspur hört man das Krachen von gefällten Bäumen, passend dazu sieht man im Museum eine historische Axt.

Der Höhepunkt der Geschichte wird im historischen Lochmannhaus gelesen. "Gehe die knarrenden Stufen der Treppe hinauf, aber pass gut auf, weil sie ist sehr alt und steil" lautet die Anweisung. Mitten in der Stube steht der Tannenbaum als wunderschön geschmückter Christbaum. Wer das Märchen kennt, der weiß, dass es traurig endet. Das wollte Museumsleiter Tillig seinen Besuchern nicht zumuten, Claudia Wagner hat deswegen eine Lichtgestalt in das Märchen integriert, sie könnte das Christkind sein oder aber die Starnberger Heilige, so Wagner. Wie die erfundene Figur hilft, das wird hier nicht verraten. Das Hörspiel dauert etwa eine dreiviertel Stunde, ist für Kinder ab vier Jahren geeignet und wird auch auf die Museumshomepage gestellt. Für den Rundgang sollte man eine Stunde einrechnen.

Premiere ist an diesem Sonntag, 28. November, von 15 bis 17 Uhr. Das Museum Starnberger See, Possenhofener Straße 5 ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Sondertermine gibt es für Schulklassen, dann wird Claudia Wagner vorlesen und nur die Töne einspielen. Elf Klassen sind bereits angemeldet, freut sich Tillig. Das Hörspiel läuft bis 9. Januar 2022.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2021
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