Kulturförderpreis:Bilder für die Bühne

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Louis Panizza erschafft Kostüme und Kulissen für die unterschiedlichsten Theater. Nun arbeitet er an "Das Meditier", das im kommenden Sommer am Ammersee aufgeführt werden soll

Von Armin Greune, Utting

Auf 2021 ist Louis Panizza sehr gespannt: "Man weiß gerade nicht, wie das Leben wird und wie das Theater weiter leben kann". Heuer sei jedenfalls kein gutes Jahr gewesen, findet der Bühnenbildner, der mit seiner Partnerin Linda Schendel und der zweijährigen Alva in Utting lebt. Dabei hat er im Vergleich zu den meisten Kollegen aus der existenziell bedrohten Kreativ- und Veranstaltungswirtschaft noch Glück: Nicht nur, dass er kürzlich den mit 1500 Euro dotierten Kulturförderpreis des Landkreises Landsberg erhielt. Gemeinsam mit Luis Lüps und Elisabeth-Marie Leistikow, den Mitstreitern im "Elle"-Kollektiv, wurde Panizza mit einem Arbeitsstipendium aus Bundesmitteln bedacht, dass den drei jungen Theatermachern wenigstens für zwei Monate Probenräume und Grundeinkommen sichert.

Darüber hinaus kann er derzeit von einer verlässlichen Existenzsicherung nur träumen - wie nahezu alle Kulturschaffenden, die auf Publikum angewiesen sind. Im kommenden Jahr, wenn er die Akademie der Bildenden Künste verlässt, werde seine Biografie "an einen sensiblen Punkt" gelangen, weiß Panizza. Im Februar will er mit dem Diplom sein Studium für Bühnenbild und Kostüm abschließen. Was - abgesehen von der "Elle"-Produktion "Das Meditier" - folgt, sei weitgehend offen: "Ich versuche, mich so breit wie möglich aufzustellen". So hat er gerade das Setdesign für den Trailer des Festivals "Kino der Kunst" gestaltet, das im zweiten Anlauf vom 27. Oktober bis 1. November gerade noch vor dem "Lockdown light" in München über die Bühne ging. Am Theaterhaus Frankfurt schuf Panizza das Bühnenbild für "Aus meinem Fenster fliegt ein Traum", ein Stück für gehörlose Kinder. Zuletzt hat er auch ein Mode-Fotoshooting ausgestattet - diese Art Aufträge nehme er aber nur an, wenn er dabei ohne kreative Einschränkungen frei arbeiten dürfe.

Außerirdische auf dem Ammersee: Luis Lüps, Louis Panizza und Elisabeth-Marie Leistikow (v.li.) als Projektion bei der ELLE-Aufführung von "Der Prolog". (Foto: Nila Thiel)

Wer den 28-jährigen daheim besucht, dem fallen sofort einige Kulissen en miniature auf. Schon als kleines Kind habe er mit seinem Großvater viele Modell gebaut. Die wichtigsten Werkzeuge für Panizza aber sind Kamera und Notizheft, das er als "Tagebuch der Ideen" nutzt. "Viel gucken, viel fotografieren, viel lesen", er sammle eigentlich die ganze Zeit Raumideen.

In seiner bisherigen Laufbahn spielten freie Produktionen wie im "Elle"-Team eine ebenso große Rolle wie das Mitwirken an etablierten und öffentlich geförderten Bühnen. Der 28-Jährige assistierte einen Monat am Deutschen Theater Berlin und zwei Monate im Hamburger Atelier bei Florian Lösche. Der, heute 39, ist wie Panizza in Dießen aufgewachsen; die Großväter, der Maler und Bühnenbildner Wolf Panizza und der Keramiker Ernst Lösche, waren bereits befreundet. Familiäre Verbindungen ebneten Louis Panizza den Weg, dass er Florian Lösche "auf sehr hohem professionellen Niveau begleiten durfte". Der hat sich seit 2007 an Spree und Alster, am Burgtheater Wien und an der Staatsoper München den Ruf als einer der bedeutendsten deutschen Bühnenbildner erarbeitet.

Aber auch Panizza durfte inzwischen eigenständig an Kammerspielen und Volkstheater München Bühnenbilder gestalten, meist in Zusammenarbeit mit der Regisseurin Jacqueline Reddington. Deren Abschlussarbeit "Gläserne Bienen" stattete er 2019 für die Kammerspiele aus, ebenso ihre Inszenierung "Finnisch" im Jahr zuvor. Damit wurden beide im vergangenen Jahr zum Bremer "Out Now"-Festival eingeladen. Im Februar 2020 hatte mit "Die Leiden des jungen Werther" eine weitere Reddington-Inszenierung am Nationaltheater Mannheim Premiere, für die Panizza Bühne und Kostüme beisteuerte. Außerdem probierte er parallel zum Studium weiter viel aus, drehte Videos und entwickelte mit Luis Lüps die Performances "Creeping Birds". Zu dem älteren Uttinger bestand vorab kein näherer Kontakt. Erst durch die gemeinsame Arbeit habe sich eine Freundschaft entwickelt, sagt Panizza.

Daheim verwendet Panizza Modelle, um seine Raumideen zu erproben. (Foto: Nila Thiel)

Das Abitur hat Panizza in Weilheim mit den Leistungskursen Mathe und Kunst abgelegt. Erst nach Jahren sei ihm klar geworden, wie stringent die beiden Fächer seine spätere Berufswahl umrahmen. Nach der Schule aber sei ihm an den Begriffen Kunst und Künstler "alles ein bisschen zu sehr abgehoben" vorgekommen, sagt Panizza. Er ging für ein halbes Jahr nach New York, wo er einen Job beim Künstler Evan Gruzis ergatterte: "Das war der einzige Erfolg nach etwa 50 Bewerbungen." Drei Monate lang assistierte er dem inzwischen international renommierten Künstler bei der Organisation einer Ausstellung.

Panizza erinnert sich noch plastisch an seine Rückkehr an den Ammersee: "Nachdem ich die ,Große Welt' gesehen hatte, wurde mir im Landeanflug bewusst, dass ich in einem kleinen Disneyland aufgewachsen bin und welches Privileg es ist, hier in einer heilen Welt zu leben". Die nächste Stufe seiner beruflichen Entwicklung vollzog sich dann am Ammersee beim Bühnenbildner und Künstler Erwin Kloker. Was als Gelegenheitsjob begann, erwies sich im Lauf von drei Jahren zu einer kreativ-handwerklichen Lehre: "Malen, kleben, nähen, entwerfen, fotografieren und projizieren" - all das habe er in der kleinen Theaterwerkstatt gelernt, sagt Panizza. Dazu viele Taschenspielertricks - und wie sich Kulissen immer wieder recyceln lassen. Wie er Jahre später erfuhr, hatte bei Kloker auch Florian Lösche an seinen ersten Kulissen gebastelt.

Parallel zum Werkeln in Schondorf sammelte Panizza an der Bayerischen Staatsoper als Bühnentechniker Erfahrung und arbeitete dabei in großen Teams von 50 Theaterleuten. "Aber das kreative Element hat mir gefehlt. Der Traum wuchs, bei Aufführungen gestalterisch mitzuwirken". Die Praxis an Ensemblehäusern und erste kreative Projekte ermöglichten Panizza, im Aufnahmegespräch für die Klasse von Katrin Brack an der Münchner Akademie zu bestehen - zweimal war ihm dabei zuvor vom Studium abgeraten worden. Gleichzeitig zum Erfolg im dritten Anlauf wurde auch seine Bewerbung in Hamburg positiv beschieden. Panizzas Entscheidung fiel jedoch für München und den Ammersee aus: "für mir bekannte Strukturen und die Kontakte, die ich mir hier aufgebaut habe".

Nachdem sich "Elle" kürzlich eine Woche lang persönlich über "Das Meditier" austauschen konnte, kommuniziere das Kollektiv nun täglich online. "Im Januar werden wir wieder drei Wochen direkt zusammenarbeiten", sagt Panizza. Das Prinzip Trinität sei bei "Elle" auch an den veränderten Produktionsbedingungen zu erkennen. Der "Erleuchthund" sei "aus Rumprobieren und ohne Kapital mit Hilfe von Freunden und Familie entstanden." Dank Sponsoren konnte man an der "Blondierten Stierin" schon intensiver und professioneller arbeiten. "Mit dem ,Prolog' sind wir nun auch überregional bekannt geworden und an öffentliche Fördermittel gelangt", sagt Panizza: "Es trägt Früchte."

© SZ vom 08.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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