Kulturelles Engagement:Späte Anerkennung

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Faible für ungewöhnliche Orte: Elisabeth Carr in ihrem eigenen Wohnzimmer in Starnberg. (Foto: Georgine Treybal)

Starnberg zeichnet Elisabeth Carr aus, die Erfinderin der "KunstRäume"

Von sabina zollner, Starnberg

Jedes Zuhause erzählt etwas über die Persönlichkeit seiner Bewohner. Im Wohnzimmer von Elisabeth Carr gibt es viele Bücherregale, ein großer schwarzer Flügel lädt zum Spielen ein. Die Wände sind von abstrakten Kunstwerken und alten Familienfotos geschmückt, aus den Fenstern blickt man auf den Starnberger See. Der Raum spricht für eine Frau, deren Neugier auf Kunst und Kultur unersättlich ist.

So überrascht es nicht, dass Carr seit mehr als 14 Jahren mit ihrem Projekt "KunstRäume am See" zahlreiche Veranstaltungen an außergewöhnlichen Orten rund um den Starnberger See initiiert. Vor fünf Jahren waren es 500 Events - mittlerweile hat sie aufgehört zu zählen. Für ihr besonderes kulturelles Engagement erhält Elisabeth Carr im Mai die Starnberger Bürgermedaille.

Die gebürtige Starnbergerin stammt aus einer alten Fischerfamilie, deren Ursprünge im Fünfseenland bis ins Jahr 1625 zurückreichen. Schon in ihrer Kindheit wurde in der Stube der Großmutter gesungen und musiziert. Ihre Leidenschaft für Kunst und Kultur gab die Sozialpädagogin und Kunsttherapeutin seither nicht auf. Ihre Arbeit ist für sie vor allem ein gestalterischer Prozess. Mit sterilen Räumen und fertigen Produktionen kann sie nichts anfangen, der Reiz liegt für sie in der Improvisation. Die Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen und Vorträge, die sie organisiert, finden meist in Räumen statt, die davor im Verborgenen lagen. So möchte sie alte Räume zu neuem Leben erwecken und eine besondere Atmosphäre schaffen.

Dieses Jahr lädt die Kulturmanagerin in den etwa 200 Jahre alten Gemischtwarenhandel Johann Biller in Starnberg ein, veranstaltet einen Vortrag im Max-Planck-Institut in Erling-Andechs mit seinem legendären Schlafbunker und öffnet die Türen zum Garten der Villa Mussinan in Starnberg für eine Performance. Mit ihren Veranstaltungen hofft Carr, einen Zugang zu Kunst zu schaffen, der auf der Nähe zwischen Künstler und Publikum beruht.

Ihre Arbeit ist auch durch ihre tiefe persönliche Verbundenheit zu Starnberg geprägt. Denn die 59-Jährige erlebte Starnberg noch in seinem historischen Kern. Sie erinnert sich, wie sie als Kind über den Schlossinnenhof lief, um ihren Vater im Forstamt zu besuchen und dort Bleistifte zu spitzen. "Nach den vielen Jahren dort Konzerte zu veranstalten, ist sehr berührend für mich", sagt Carr.

Unlösbare Herausforderungen kennt die 59-Jährige nicht - jeder Raum lasse sich in eine Bühne verwandeln. Was Carr vor vier Jahren mit ihrer ungewöhnlichen Modenschau auf dem Wertstoffhof der Awista (Abfallwirtschaftsverband Starnberg) bewies, mit der sie auf die Missstände der Textilindustrie aufmerksam machen wollte. Auch Beruf und Familie managt die Mutter von sechs Kindern im Alter zwischen 19 und 35 Jahren mit leichter Hand. "Man muss nur seine Aufgabe annehmen", sagt Carr. Übermäßiges Klagen halte den Mensch nur auf, die wichtigen Dinge im Leben zu entdecken.

Über die Starnberger Auszeichnung freut sich Carr besonders, sie hofft, das Kunstleben der Stadt auch in den nächsten Jahren bereichern zu können. Die vierzehn Jahre haben gezeigt: Ihre Möglichkeiten sind fast schon endlos.

© SZ vom 02.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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