Kultur:Robespierre und der englische Humor

Franz Mang, Künstlername Robespierre

Sammler und Jäger: Franz Mang mit einer zwölfsaitigen Ovation, die vormals Gerry Rafferty gehörte.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der vormalige Lehrer Franz Mang macht unter seinem ungewöhnlichen Künstlernamen Gute-Laune-Folk, der in den USA und in Großbritannien ankommt. In seiner Heimat ist der Musiker, der sogar ein eigenes Festival hat, aber unbekannt

Von Gerhard Summer, Gauting/Neuried

Dieser Robespierre ist ein Mordskerl. Tiefschwarze Wallemähne, Musketierbart, äußerst stattliche Statur. Auf der Bühne trägt er gern eine leuchtend rote Samtrobe mit goldenen Applikationen im Empire-Stil, und wer ihm nach einem Konzert in einer dunklen Unterführung begegnen würde, käme womöglich auf die Idee, ein wenig Abstand zu halten, so wild und wie aus der Zeit gefallen sieht er aus.

Aber der Eindruck täuscht: Dieser Mann ist nicht völlig von der Rolle, sondern einfach nur ein liebenswert flippiger Musikverrückter aus Neuried, der seit acht Jahren ein eigenes Festival hat, das Forst-Kasten-Rockspektakel. Bayerns Ex-Finanzminister Georg Fahrenschon zählt zu seinen Fans, der frühere Drummer der Spencer Davis Group, Pete York, kennt die meisten Songs von ihm. Und die Assoziationen zu Französischer Revolution und Terror sind ohnehin vollkommen falsch.

Robespierre, das ist eher die Geschichte eines Mannes, der mit bürgerlichem Namen Franz Mang heißt, Grundschullehrer war, sich mit 50 Jahren Verzögerung endlich seinen Lebenstraum erfüllt, in den USA und in Großbritannien ankommt und in seiner Heimat so gut wie unbekannt ist. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass er mit seiner gleichnamigen Band in keine der gängigen Schubladen passt und wohl auch polarisiert. Die erste Frage von deutschen Radiomoderatoren jedenfalls sei immer: "Ihr seid eine deutsche Gruppe mit französischem Namen und singt englisch?" Ja, so ist es, und letztlich fallen Mang und seine Mitstreiter schon "vor Glück auf die Knie", wenn der Bayerische Rundfunk einen Robespierre-Song in einer internen Abhörsession vorstellt oder in einer Sendung spielt. Was selten vorkommt.

An der Qualität der Musik kann das kaum liegen. Robespierre machen Gute-Laune-Folk-Rock mit englischem Humor und unüberhörbar irischen und schottischen Wurzeln. Das klingt ein wenig nach Mangs ewigen Helden, nach Jethro Tull und Amacing Blondell, aber auch sehr eigen, schrullig und so, dass man gleich an eine munter spielende Band in einem Pub denken muss und an Landschaften, die sich in Sekundenschnelle verändern, weil auf Regen sofort wieder Sonnenschein folgt.

Gut, diese Stücke mögen keine Mörderhits oder große Stadionhymnen sein, aber die Lieder des Tüftlers sind hochprofessionell gemacht und kommen ganz ohne ausgelatschte Texte daher. "Another Monkey's Monkey" beispielsweise erzählt davon, dass Musiker sich nicht mit den Frauen ihrer Kollegen einlassen sollen, der Song mit Shanty-Chor ist seit drei Wochen auf Platz 1 der Hörer-Charts von Radio Berlin-Brandenburg. Und die schlichte Akustik-Ballade "Emotional Millionaire" dreht sich um einen Mann, der "das Geld im Herzen hat, aber nicht in der Tasche". Mang sagt dazu: "ein Gute-Nacht-Lied".

Ein Engländer namens Georg Burley wacht darüber, dass sich in den Texten des gebürtigen Kempteners keine Fehler einschleichen. Mang und seine Frau Monika haben Burley um 2 Uhr nachts an einer Straßenkreuzung in Südfrankreich kennengelernt. Sie freundeten sich an, seither treffen sie sich immer im Urlaub in einer FKK-Stadt. Und Burley erklärt Robespierre dann beispielsweise, dass die Wendung "Passion for Facilitys" Unfug ist, weil Engländer unter Facilitys nicht Kleinigkeiten verstehen oder Leichtigkeit, sondern Toiletten. Früher kontrollierte Burley Atomkraftwerke. Heute übernimmt er den Service für Robespierre-Lyrics.

Mang schüttelt solche Geschichten ohne Unterlass aus dem Ärmel, viele davon sind abgedreht und lustig. Außerdem ist er in seinem Redefluss so schwer zu stoppen, dass man sich zweimal überlegt, ob man jetzt noch ein Detail nachfragt. Irgendwann kommt der 66-Jährige auf Ian Anderson zu sprechen, ja, sagt er, der Frontman von Jethro Tullo, dem er mal bei einem Konzert mit Instrumenten ausgeholfen hat, der höre sich schon verdammt gern reden. Und dann hat Mang plötzlich einen Anfall von Heiterkeit. Ach ja, er sei ja genauso, sagt er, und dürfe sich nicht beschweren. Und das ist schon auch schön: dass jemand so herzlich über sich selbst lachen kann.

Mang hat schon als Kind und später im Klosterinternat Musik gemacht, aber er verschob die Profikarriere bis vor fünf Jahren immer wieder, weil ständig was dazwischenkam. Der Wahl-Neurieder stammt aus den Allgäuer Käsedynastien Mang und Stegmann, erst wollten die Eltern, dass er Betriebswirtschaftslehre studiert und in den Betrieb einsteigt. Dann hängte er ein Lehramtsstudium dran, weil er glaubte, dass er als Pädagoge viel Zeit für seine Rock-Leidenschaft hätte.

Er unterrichtete 38 Jahre lang an der Hauptschule in Großhadern. Seine Frau sagt: "Die Kinder liebten ihn." Bei Auftritten seiner Band halfen manchmal frühere Schüler und deren Eltern als Roadies mit. Und die Hälfte seiner Facebook-Anhänger besteht heute noch aus jungen und älteren Leuten, die er einst unterrichtete. Fabrizio Musco brachte er in der Schule sogar so erfolgreich alle "Cat-Stevens-Sachen, 'Thick as a Brick'" und andere Jethro-Tull-Nummern bei, dass der Mann als Sologitarrist bei Robespierre einstieg.

60 bis 80 Songs hat Mang bisher geschrieben und sechs CDs herausgebracht. Sein Platten-Debüt "Hard Blood" von 1980 verkaufte sich 30 000 Mal, unter anderem auch nach Japan. Auf Wunsch des Verlags, einer Kooperation seines Kumpels Peter Steyrer mit Ralph Siegel, hatte er damals einen möglichst originellen, nicht englischen Bandnamen gesucht und war auf das merkwürdige Robespierre verfallen. Radio Toronto spielt heute noch Songs aus der LP. Das Lied "Pinguin in the Air" war in London 2007 ein Hit. Und bei Songwriter-Wettbewerben in den USA gehören Mang, sein Keyboarder Tobias Wendl, der virtuosen Bassisten Jacques Bono und der Gitarristen Musco zu den Dauerfinalisten: 25 Mal kam Robespierre in den vergangenen neun Jahren in die Endausscheidung.

Seit 2012 ist Mang jetzt in Rente, er hat sich im Keller seines Hauses ein kleines, sehr feines Studio eingerichtet; in seinem Arbeitszimmer hängen in Reih und Glied edle Western- und E-Gitarren en masse. Mit seiner Musik ist freilich nicht viel Geld verdient. Bei seinem Festival an der Grenze zu Gauting zahlt der Musiker sogar drauf, aber das stört ihn nicht im Mindesten. "Das ist auch eine Marketing-Geschichte", sagt er. Und: "Welche Band hat schon ihr eigenes Festival?"

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