Süddeutsche Zeitung

Kultur:Jeder für sich und alle gegen einen

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Beim Kabarettistenabend auf dem Kult-Art-Festival in Krailling sind sich Christoph Weiherer, Michael Altinger, Stephan Zinner und Stefan Kröll einig, dass man über den Verkehrsminister Alexander Dobrindt gute Witze machen kann

Von Patrizia Steipe, Krailling

Bei einem Kabarettabend kann man ja immer auch etwas lernen. Zum Beispiel die Postleitzahl von Brunsbüttel. "25541" lautet sie und am Ende des "Sommerabends der Kabarettisten" waren ein paar hundert Zuschauer um dieses Wissen reicher. Christoph Weiherer ("Der Weiherer") hat sie mit einer Mission betraut. Wenn eine Verkäuferin in Zukunft nach der Postleitzahl des Kunden fragen sollte, dann soll es die "25541" sein. Wenn dann die Statistik ausgewertet wird, "werden die in Brunsbüttel mit Werbung zugeschissen, und wir haben unsere Ruh'". Der selbsternannte "niederbayerische Brutalpoet", der lieber als "Liederterrorist" denn als "Helene Fischer des Kabaretts" bezeichnet werden will, war beim 16. Kraillinger Kult-Art-Festival die stärkste Nummer des Abends und seine Jute-Taschen, die Bio-Bruns-Beutel (nicht wasserdicht!) mit der Postleitzahl Brunsbüttels, gingen am Verkaufsstand weg wie die warmen Semmeln.

Die Kraillinger waren aber auch ein dankbares Publikum. Im vollbesetzten Festzelt kamen die Gags an, die Menge lachte an den richtigen Stellen und kannte sich in der Kabarettisten-Szene aus. Überraschungsgast Stephan Zinner (spielt am Nockherberg den Markus Söder), der für den erkrankten Chris Boettcher eingesprungen war, empfingen die Kraillinger mit anerkennendem Raunen. Zinner ist Bayer durch und durch. Dumm nur, dass sein Dialekt von den Neumünchnern nicht verstanden wird und auf sein "do warat i do..." als Antwort ein "you tourist?" folgt. Da hilft nur Aufklärungsarbeit. Jetzt wissen die Zugroasten aus dem Festzelt, dass beim Bayern der "Haxn" von der Hüfte bis zu den Zehen reicht und der "Fuß" von den Zehen bis zur Hüfte. Der Kabarettistenabend ist einer der Höhepunkte des Kult-Art-Festivals. Wer hier auftreten dürfe, der empfinde dies als "Adelsschlag" sagte Moderator Matthias Matuschik - aber den Worten des scharfzüngigen Fernseh- und Radiosprechers darf man natürlich nicht so ganz trauen.

An diesem Abend hatten sich die Kabarettisten auf Alexander Dobrindt eingeschossen. Auf das Minarett im Garten, das Dobrindt vor einiger Zeit Demonstranten prophezeit hatte, warte er immer noch, sagte Christoph Weiherer. Dabei würde er es zu gerne mit Schweinsbraten und Bauchtanz oder auf gut bayerisch "mit Wammerl und Wammerl" einweihen. Michi Altinger hatte dagegen die aufsehenerregende Entdeckung gemacht, dass "Dobrindt" anders buchstabiert "Satan" ergibt. Der Legastheniker lässt grüßen. Der Rosenheimer trauerte der guten alten Zeit nach, als der Hintern noch straff, das Schnackseln keine Diätübung war und es noch keine Gabionen gab - diese mit Kieseln gefüllten Drahtzäune. Als neue Sportart neben dem Stand-Up-Paddling schlug er das Sit-Down-Fressling vor.

Matthias Matuschik, der an diesem Abend eigentlich als Kabarettist vorgesehen war, hatte die Moderation übernommen. Und das machte er gut. Ein weiteres Schwerpunktthema des Abends war die "Ehe für Alle": "Hand hoch, wer ist hier alles homosexuell oder lesbisch?" Er blickte auf die Absurditäten der Social-Media-Kanäle und sprach den Konsum-Wahn an, der als Verkaufsschlager das "Einhorn-Duschgel" auf den Markt gebracht hat. "Ja, spinnt's ihr denn alle?", wunderte sich der Matuschik, der sich vorher die Erlaubnis zum "Euchzen" vom Publikum geholt hatte.

Und dann war da noch Stefan Kröll, der aus seiner Heimat Niederbayern erzählte, wo wegen der vielen Wildunfälle die Fahrschüler bei der Fahrprüfung "ein Reh ausnehmen können müssen". Immer für einen Lacher gut: die Helikopter-Mütter, die Kinder, die den Übertritt nicht geschafft haben, als "Freiwillige" in den von Blitzen umtosten Faradayschen Käfig im Deutschen Museum setzen. Kröll ist ein Multitalent, sei es am Keyboard ("wenn über 30 Prozent der Töne falsch sind, muss ich keine GEMA-Gebühren zahlen") oder als Stimmenimitator, der aber leider nur den Baywa-Lageristen aus Tölz draufhat. Viele Klischees, mehr Oberfläche als Tiefgang bestimmten den Abend. Aber seien wir ehrlich: Tiefsinn und Bierzelt passen nicht zusammen.

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SZ vom 03.07.2017
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