Kultur:Helden der Kältekammer

Kirchenkonzert im Marienmünster

Starker Auftritt: Geiger Ulrich König und Organist Stephan Ronkov bereiten sich auf ihr Konzert im Dießener Marienmünster vor.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Dießener Münsterorganist Stephan Ronkov und Geiger Ulrich König erweisen sich bei ihrem Konzert in der unbeheizten Kirche als Meister der absolut schlüssigen Interpretation

Von Reinhard Palmer, Dießen

Die Dießener Münsterkonzerte sind derzeit nichts für Warmduscher. Die Kirche wird nämlich schlicht nicht geheizt, das Publikum muss frieren, und die Musiker tun gut dran, sich irgendwie die Hände warm zu halten. Letztlich wäre es eine gute Idee, alle mit Tapferkeitsmedaillen auszuzeichnen.

Ein Duo, das auch Solistisches bietet, hat wenigstens einen Vorteil: Der eine kann sich ins Warme zurückzuziehen, wenn der andere allein spielt. Münsterorganist Stephan Ronkov hatte diesmal den Geiger Ulrich König in die Kältekammer eingeladen, der den meisten Konzertgängern als Konzertmeister des Ensembles Lodron München bekannt sein dürfte, die Orgelmatinee mit ihm zu bestreiten. Während die solistischen Werke Originalkompositionen für die Instrumente waren, griffen die Musiker in den Duos zu Bearbeitungen von Werken für Violine und Orchester, die dementsprechend als konzertanter Violingesang mit Begleitung aufgefasst waren, nur selten in der kammermusikalischen Ausprägung eines Duos.

Dass die historische Caspar-König-Orgel von 1739 ein wunderbares Orchester abgeben würde, bezweifelte wohl niemand, zumal Ronkov mit allen verfügbaren Mitteln darum bemüht war, die klangliche Ebene sorgfältig auszudifferenzieren. Und schon zur Eröffnung bot der italienische Barock mit Francesco Geminiani reichlich Anlass für farbenreicher Gestaltung. Seine dreisätzige A-Dur-Sonate ist sinnenfreudig und emotional wirkungsvoll, beginnend mit der lieblichen Kantilene eines langsamen, lyrischen Satzes.

Ulrich König stimmte hier einen zarten Gesang über warmer Begleitung an, und zwar ohne Pedal an der Orgel, weil er der italienischen Tradition folgte. So blieb das Werk leicht in seiner Wirkung und wurde in den nachfolgenden straffen Sätzen lediglich in den dramatischen Trübungen gewichtiger.

Auch das Adagio E-Dur KV 261 von Mozart folgte einem ähnlichen Konzept. Den lieblichen Gesang, den König graziös und klangschön formte, begleitete Ronkov geschmeidig mit einem Anflug von Wehmut. Solche Feinheiten nahmen entsprechend der Chronologie der Werke zu. So kulminierten die Duo-Auftritte schließlich in der finalen Romanze f-Moll op. 11 von Dvořák, die der Komponist mit einer großen emotionalen Bandbreite ausgestattet hatte, dabei aber auch mit kammermusikalischen Qualitäten. Passagen, in denen das Duo entsprechend enger zusammenrückte. Beide Musiker wählten für die Kolorierung vordringlich Pastelltöne, die mit zarten Lasuren eine Vielzahl reizvoller Nuancen erlaubten, aber auch schon mal pastoser aufgetragen wurden. Ob nun eine süßliche Kantilene, rezitativische Virtuosität, forsche Straffheit oder finales Aufblühen: Alles folgte einer inneren Logik, schlüssig bis zum letzten Ton.

Die inhaltliche wie chronologische Komplettierung dieses Grundgerüsts boten solistische Werke. Bachs kraftvoll-virtuose Kompositionen luden das Programm ordentlich mit Energie auf. So Präludium und Fuge e-Moll für Orgel, und zwar vor allem durch die mächtige Tektonik und dichte Textur im Vorspiel und durch die harmonisch bereichernde Chromatik im Thema der Fuge. Die außergewöhnliche - weil jedem Satz ein Double, eine Variation des Satzes, nachgestellt ist - Partita h-Moll BWV 1002 hielt die Spannung in ihren vier Sätzen aufrecht, auch wenn in verschiedenen Ausprägungen, die König sorgfältig voneinander absetzte, ohne die übergreifende lyrisch-melancholische Grundstimmung aus dem Blick zu verlieren. Aus allen charakterlichen Ausprägungen der Sätze hielt König die Strenge als verbindendes Element aufrecht, ob nun in der kapriziösen Corrente oder der lyrischen Sarabande.

Wie der Anfang und das Ende stand auch das Zentrum des Programms im Zeichen bedächtigen Sinnierens. Dazu passte, dass sich die Orgelfantasie f-Moll KV 594 von Mozart zuerst kräftig verdichtete, um dann schließlich zur betrübten Lyrik zurückzukehren. Dem lang anhaltenden Schlussapplaus folgte keine Zugabe. Es war schlicht zu kalt, um sich noch länger in der Kirche aufzuhalten.

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