Kultur:Frühes Leid, spätes Glück

Starnberg, Stadtbücherei Poetry Slam mit Ko Bylanzky

Siegte mit "Man of the Midnight": Bastian Vogel.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Teilnehmer am Poetry-Slam in der Starnberger Bücherei überzeugen mit professionellen Texten. Mal geht es um Alleinsein und Mobbing, mal um Midlife-Crisis und die Bewältigung von Selbstzweifeln

Von Tabea Braun, Starnberg

Poetry-Slam spielte bis jetzt keine große Rolle in Starnberg, obwohl die deutschsprachige Szene weltweit als zweitgrößte nach der englischsprachigen gilt. Die "Juni-Spiele schön jung" haben nun begonnen, das zu ändern: Organisatorin Elisabeth Carr holte Ko Bylanzky mit ins Boot, einen Poetry-Slam-Essayisten, der in München regelmäßig Slams veranstaltet. Er brachte acht Kollegen aus der Szene nach Starnberg, darunter erfolgreiche Teilnehmer der bayrischen Meisterschaften.

Doch gewonnen hätten den Dichter- Wettbewerb in der Bücherei wohl die zwei jungen Nachwuchspoeten Konstantin und Simon, wären sie nicht vorab außer Konkurrenz aufgetreten. Die beiden hatten zuvor an einem Workshop von Ko Bylanzky teilgenommen und trugen bereits einen Tag später selbstgeschriebene Texte vor, deren Professionalität die Zuschauer staunen lies. Unter dem Titel "Mir fällt kein Thema ein", beschrieb der zwölfjährige Konstantin die verzweifelte Suche nach Inspirationen für seinen Text. Und auch der 14-jährige Simon beschäftigte sich mit durchaus ernstem Stoff: "Ich bin jetzt ganz allein", "Ich poste keine Fotos, ich bleibe lieber still". Gedanklich sitzt er dabei alleine am Meer, läuft über einen endlosen Steg und springt schließlich ab. Das Publikum war begeistert.

Nicht nur in dieser Hinsicht schien Carrs Konzept aufzugehen. Auch unter den Zuhörern, von denen einige ihren ersten Slam besuchten, fanden sich neben älteren Leuten viele Junge, insgesamt 45 an der Zahl. Moderator Ko Bylanzky führte sie zunächst ins Wertungsprinzip ein. Eine Performance, zu der es nicht viel zu sagen gibt, erhält verhaltenen Applaus, sind die Zuhörer dagegen begeistert, sollen sie klatschen und rufen, was das Zeug hält um ihren Favoriten zu unterstützen, denn der lauteste Applaus kürt den Sieger.

Mit einem Text, der das Publikum mächtig zum Lachen brachte, begann Dave Appleson. Beim ersten Date sucht er verzweifelt nach Themen und stellt die These auf: "Männer sollten sich ihre Nägel lackieren". Doch was hält seine Angebetete wohl davon? Findet sie ihn nun vielleicht weird, also seltsam? Einen Kontrast dazu bildete die zweitgeloste Sarah Potye mit ihrem sehr nachdenklichen Text über Bilingualismus. Ihr folgte Bastian Vogel, dem es zu verdanken ist, dass der Starnberger Poetry Slam als internationale Veranstaltung durchging. "Kosten und Mühen" habe man sich dafür gespart, scherzte Ko Bylanzky, denn Vogel kommt aus Innsbruck. Mit seinem Mitmachgedicht über das zwanghafte Glücklichsein amüsierte er das Publikum derart, dass er sogleich ins Finale einzog und mit "Man of the Midnight" siegte. Sein Text handelt von einem Mann in der Midlife-Crisis, der sich beim Abholen seiner Tochter in den Club wagt. Über die Entwicklung von Männlichkeit in einem reinen Frauenhaushalt, bestehend aus der alleinerziehenden Mutter, fünf Schwestern, einer Hündin und einem kastrieren Kater, philosophierte Darryl Kiermeier in seinem "Drama in drei Akten". Slammer Philipp Potthast qualifizierte sich mit dem skurril witzigen Text "Mut zu Neuem" als Zweiter zum Finale. Und Tim Niklas beschrieb in einem fiktiven Dialog mit seiner Mutter Probleme, die junge Leute beschäftigen. Zwar wird er bald 18, doch er fühlt sich weder erwachsen noch denkt er ans Ausziehen.

Nachdenklich gaben sich auch Katrin Freiburghaus und Veronika Rieger. Bei Ersterer ging es um die Schwere, die Erwachsenen auf den Schultern liegt, und die kindliche Sorglosigkeit im Kontrast. Rieger hatte Schicksale junger Menschen im Blick, die kurz vor dem Suizid stehen: Anna wird wegen ihrer Fettleibigkeit gemobbt, Timo hat Angst, sich zu seine Homosexualität zu bekennen, Mika kann den Leistungsansprüchen seiner Eltern nicht genügen - trotzdem kämpfen sich alle drei ins Leben zurück und überwinden ihre Selbstzweifeln. Denn "am Ende bin ich selbst mir heilig".

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