Corona:Die nächste Kultur-Krise

Tutzing: Kurtheater: Kichael Teubig in der Coronakrise

Vor leeren Stuhlreihen: Michael Teubig, der Chef des Tutzinger Kur-Theaters, macht sein Lichtspielhaus bis zumindest 15. Dezember dicht, weil er zuletzt kaum noch Karten für die Filmvorstellungen verkauft hat.

(Foto: Nila Thiel)

Das Buchheim-Museum in Bernried muss wegen des Lockdowns im Landkreis Weilheim-Schongau von Freitag an schließen, das Kino in Tutzing legt bis Mitte Dezember eine Betriebspause ein. Viele Ausstellungen sind pandemiebedingt bereits abgesagt. Was bleibt, ist die Fensterschau.

Von Armin Greune und Katja Sebald

Das Buchheim-Museum in Bernried darf von diesem Freitag an keine Besucher mehr empfangen. Weil der Inzidenzwert in Weilheim-Schongau auf über 1000 gestiegen ist, gilt der Landkreis als regionaler Hotspot; Gastronomiebetriebe, Bibliotheken und Kulturstätten bleiben dort vorerst geschlossen. Doch selbst ohne harten Lockdown haben Künstler, Veranstalter und Kinobetreiber mit einem dramatischen Publikumsschwund zu kämpfen. Das Tutzinger Kur-Theater hat deshalb nun doch kapituliert und macht zumindest bis 15. Dezember Pause.

Seit Montag hat Michael Teubig den Kinobetrieb eingestellt, weil er zuletzt nur noch drei Karten am Tag bei zwei Vorstellungen verkauft habe. Dafür sei nur die zur 2-G-Regelung hinzugekommene Testpflicht verantwortlich, glaubt er: "Nachmittags zur Teststation laufen, da warten und frieren, um dann abends ins Kino zu gehen, ist einfach nicht mehr zumutbar". Mit genau der Begründung hätten sich bei ihm einige Filmfreunde für ihr Ausbleiben entschuldigt. Teubig spricht vom "Lockdown durch die Hintertür: Wenn ich das Licht einschalte, zahle ich schon drauf."

Andererseits kann er nicht einmal zum Ausgleich auf Kulturfördermittel hoffen, weil er das Kurtheater ja freiwillig schließt. "Aber 14 Tage sind noch nicht das Problem", sagt der Kinobetreiber. Nun will er abwarten, wie sich die Pandemielage weiter entwickelt und eventuell mit dem Weihnachtsprogramm am 16. Dezember neu starten. "Keine blöde Idee" könnte es sein, künftig nur noch freitags bis sonntags Kino anzubieten. Die vergangenen Tagen war Teubig noch mit Plakateabnehmen und seinen Schaukästen beschäftigt, außerdem will er die "freiwillige Zwangspause" für den Großputz und die Instandhaltung der Technik im Kino nutzen. Den Galgenhumor hat er noch nicht verloren: "Endlich bleibt mir mehr Zeit, um mit meiner Modelleisenbahnanlage zu spielen", sagt Teubig und lacht ironisch.

Auch in den noch geöffneten Museen sind die Publikumszahlen rapide gesunken, seit für einen Ausstellungsbesuch die 2G-Plus-Regelung gilt. Zahlreiche Kunstschaffende in der Region sind angesichts beängstigend hoher Infektionszahlen wieder dazu übergangenen, kleine Ausstellungen und Kunstprojekte hinter Fensterscheiben zu zeigen. Wo hingegen Kunst und Kunsthandwerk unter den Bedingungen des Einzelhandels zu sehen sind, werden Weihnachtsgeschenke gekauft - solange es noch erlaubt ist.

Das Buchheim-Museum hatte sich bis dato bemüht, den Besuchern bestmögliche Voraussetzungen für den Kunstgenuss in schwierigen Zeiten zu bieten: Zugang hatten zwar laut Website nur Personen, die geimpft und genesen oder noch nicht zwölf Jahre und drei Monate alt sind und zusätzlich über einen aktuellen Testnachweis verfügen. Aber: Wer den Testnachweis nicht dabei hatte, konnte an Ort und Stelle einen Schnelltest machen. Dennoch waren schon am vergangenen Wochenende insgesamt nicht mal hundert Besucher da, "extrem wenige" für Bernrieder Verhältnisse, wie Museumssprecherin Sabine Bergmann feststellte. Am Dienstag hatte man bis Mittag noch keine einzige Eintrittskarte verkauft.

Inzidenzwert über 1000

Im Landkreis Weilheim-Schongau ist die Sieben-Tage-Inzidenz sprunghaft angestiegen. Seit Donnerstag liegt sie bei 1115, am Vortag war sie noch leicht auf 918 gesunken. Damit gilt der Nachbarlandkreis von Starnberg von diesem Freitag an als lokaler Corona-Hotspot, gemäß der bayerischen Infektionsschutzverordnung tritt ein Teil-Lockdown in Kraft. Gastronomie und Hotels müssen ebenso schließen wie Archive, Bibliotheken und Kulturstätten. Freizeit-, Sport- und Kulturveranstaltungen entfallen, Bildungsstätten müssen auf digitalen Betrieb umstellen. Schulen und Kindertagesstätten bleiben geöffnet, ebenso Friseurläden, für sie gilt die 2-G-Regel. Aufgehoben werden die Bestimmungen erst, wenn der Inzidenzwert fünf Tage in Folge unter 1000 liegt.

Über Nacht waren dem Weilheimer Gesundheitsamt 493 neue Covid-19-Erkrankungen gemeldet worden, besonders hoch waren die Zahlen in Penzberg mit 67, in Weilheim mit 52 und in Peißenberg mit 47. Sechs Menschen sind seit dem Vortag an oder mit der Infektion gestorben. Die Behörde erklärt sich die Steigerung auch mit der besseren Kontaktnachverfolgung, weil seit Montag zehn Bundeswehrsoldaten das Team verstärken.

Am Mittwoch hatte die Seeshaupter Gemeinschaftspraxis bei einem Sammeltermin in der Mehrzweckhalle knapp 1200 Menschen geimpft. Dabei handelte es sich ausschließlich um Booster-Impfungen, teils für ältere Patienten über 70 Jahre, teils für jüngere, die im Sommer nur eine Dosis Johnson&Johnson erhalten hatten. An diesem Samstag stellt die Gemeinde dem Impfzentrum Peißenberg die Halle zur Verfügung, von 10 bis 18 Uhr sind Bernrieder, Seeshaupter und Iffeldorfer zur Impfung eingeladen. Auch in der Nachbarschaftshilfe werden am Samstag Impfungen angeboten. kiah

In Starnberg stehen zwar nach wie vor Besucher vor der Tür des Museums Starnberger See. Aber sie dürfen nicht hinein: "Es ist sehr schade, dass wir so viele wieder wegschicken müssen, weil sie keinen Testnachweis dabei haben", berichtet Museumsleiter Benjamin Tillig. Er habe von vielen Abgewiesenen die Rückmeldung bekommen, dass sie in Starnberg keine Möglichkeit gefunden hätten, sich testen zu lassen. Im oder vor dem Museum dürfe man jedoch keine Tests anbieten. Die tatsächlichen Besucherzahlen seien deshalb innerhalb der vergangenen Woche auf etwa ein Viertel gesunken. Die Maßnahmen seien richtig und notwendig, sagt Tillig, aber die mangelnde Planungssicherheit drücke sehr auf die Stimmung: "Es ist eine unglückliche Situation - und es geht jetzt schon wirklich lange."

Für den Dießener Maler Martin Gensbaur ist es "fast schon ein Déjà-vu", wenn wieder pünktlich zu Beginn der Weihnachtszeit überall Vernissagen und Ausstellungen abgesagt werden. Er meint: "Schaufenster mit Kunst haben in diesen trüben Tagen Konjunktur." Der Erfinder des "Kunstfensters" zeigte freilich schon in vorpandemischen Zeiten Malerei hinter den Glasscheiben seines Hauses in der Hofmark. Jetzt hofft er, den Vorüberfahrenden mit seinen Bildern "von ganz oben" eine Freude zu machen: Unter dem Titel "Top of Germany" präsentiert er zum Jahresausklang zwei Gemälde, die nach Aufnahmen der Webcam auf der Zugspitze entstanden. Nur ein paar Schritte entfernt, im Einrichtungsgeschäft "Kunststück" in der Herrenstraße 16, wird am kommenden Sonntag die Ausstellung "Forest Stories" der Künstlerin Helen Britton eröffnet: Die in München lebende Australierin ist insbesondere als herausragende Vertreterin der zeitgenössischen Schmuckkunst bekannt; in Dießen zeigt sie aber auch Malerei, Zeichnung und Objekte.

Kunst hinter Fenstern gibt es in den kommenden Wochen auch in Schondorf und Utting zu sehen. Eine Art lyrischen Adventskalender präsentiert Stefan Wehmeier im "Skriptorium" von Andreas Kloker an der Schondorfer Bahnhofstraße. Wehmeier stellt im Rahmen der Aktion "24 Tage - 24 Texte" Poesie aus seinem aktuellen Gedichtband "Und draußen der Tag" vor. Im Raum B1 am Uttinger Bahnhofsplatz ist im Advent die Ausstellung "Der Alte Peter und seine Welt" zu sehen: Hinter dem großen Schaufenster wird an jedem Sonntag eine neue Auswahl der Holzfiguren stehen, die der 1890 geborene Schlosser Peter Pongratz in seiner Freizeit schnitzte und die sich bis heute in der Familie erhalten haben.

"Alle haben Angst vor dem nächsten Lockdown", beobachtet Rut van der Locht, die in ihrem Geschäft "Fee am See" an der Starnberger Hauptstraße auch Arbeiten von befreundeten Künstlern zeigt. Das Interesse an Kunst und ausgewähltem Kunsthandwerk sei heuer besonders groß. Drei Künstlerinnen aus der Gautinger Reismühle, die normalerweise ihre Erzeugnisse auf dem Schwabinger Weihnachtsmarkt verkaufen würden, organisieren in den kommenden Wochen einen "Kunstadvent" in ihren Ateliers. Weil es sich dabei explizit um eine Verkaufsausstellung handelt, sollen in der Reismühle nicht die Regeln für Kunststätten, sondern die des Einzelhandels gelten.

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