Künstler:Abgründe

Künstler: Der Künstler Herbert Nauderer und sein Mausmann.

Der Künstler Herbert Nauderer und sein Mausmann.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Herbert Nauderer zeigt einen Kurzfilm und neue Zeichnungen

Von Katja Sebald, Starnberg

Der White Cube ist tot, so die einhellige Meinung der Kunstkritik. Es reicht nicht mehr, Kunst in weißen Räumen zu präsentieren. Kunst handelt in unseren Zeiten vom Tun, auf der diesjährigen Biennale in Venedig vor allem auch vom Mitmachen und Mitspielen. Was aber kann ein Künstler tun, dessen Arbeit seit langem schwerpunktmäßig aus Zeichnungen besteht?

Herbert Nauderer ergänzt seit einigen Jahren den Kosmos seiner Zeichnungen auf installative Weise durch Objekte, Bild-Composings und Videos, in denen er Geschichten über die Kunstfigur "Mausmann" erzählt. Der "Mausmann", eine Art alter ego des Künstlers, wurde als Zeichnung geboren, die Figur tauchte immer öfter auch in Nauderers Fotos und Collagen auf, klein und verloren in heruntergekommenen Räumen oder geheimnisvoll im Hintergrund eines harmlosen Familienbildes. Jetzt lässt er den "Mausmann" in dem Kurzfilm "Parasite Island - Mausmannsland" gleichsam aus dem Bild herauswachsen. Und wer bei Maus an Spielen denkt, der liegt sehr weit daneben.

"Parasite Island" ist ein bedrückendes Kammerspiel, irgendwo zwischen Kaspar Hauser und Jakob Apfelböck. Sibylle Canonica und Josef Bierbichler sitzen als Eltern in einem schwarzen Raum am Esstisch und streiten über die immer gleichen Themen und über das Problemkind, das im Nebenzimmer mit einem dicken Seil ans Bett gefesselt ist: ein erwachsener Mann, der eine schwarze gesichtslose Maske mit Mickey-Mouse-Ohren trägt. Es liegt wohl nicht zuletzt an der erschütternden Kraft der beiden Schauspieler, die mit wenig Text - kaum mehr als ein paar Phrasen - tief vordringen in die Abgründe der menschlichen Psyche, in die dunklen Flecken und Taburäume von familiären Konstellationen. Das Zuhause des Mausmanns ist düster und unerklärlich.

Verbunden sind die drei Protagonisten durch die schwarze wabernde Flüssigkeit, die sie freudlos als einzige Speise zu sich nehmen. Es ist dieselbe Flüssigkeit, die aus dem Mundwinkel der toten Mutter rinnt, nachdem der Mausmann sie in einem Moment des Aufbegehrens erschlagen hat. Ob er sie wirklich erschlagen hat, bleibt freilich ebenso im Vagen wie die zeitlichen Abläufe des Films. Bild und Suggestion, Chronologie und Erzählung, Sprache und Verhalten fallen oft weit auseinander und liegen extrem dicht übereinander. Der Film erzeugt ein beklemmendes Unbehagen, indem er die Erwartungen auf bestimmte Bilder und Abläufe nicht erfüllt und keine eindeutigen Lösungen bietet. Zugleich öffnet er sich für die Projektionen des Betrachters und wirft ihn auf sich selbst zurück.

Herbert Nauderer wurde 1958 in Fürstenfeldbruck geboren. Nach einer Druckerlehre studierte er an der Münchner Akademie der Bildenden Künste. Seit 1986 lebt und arbeitet er als freischaffender Künstler und Musiker in Weipertshausen bei Münsing. Neben Sibylle Canonica und Josef Bierbichler spielt er selbst in dem Film mit, Regie führte er zusammen mit Annika Tepelmann, für die Bildgestaltung zeichnet Tom Fährmann verantwortlich.

In der Reihe "Nah - fern" zeigt Nauderer parallel zum Fünfseen-Filmfestival in der Sonderausstellung "The Neighborhood" neue Zeichnungen. Der Film ist an diesem Freitag, 28. Juli, von 18 Uhr an im Kino Breitwand in Starnberg zu sehen (im Anschluss "Der Bunker"), die Vernissage findet im Anschluss um 21 Uhr in der ehemaligen Schalterhalle im Bahnhof am See statt. Danach ist die Ausstellung bis zum 6. August (Freitag von 16 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag jeweils von 14 bis 18 Uhr) geöffnet. Zur Finissage am 6. August gibt es Musik von Augusta und Kalle Laar und Herbert Nauderer.

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