Süddeutsche Zeitung

Kriminalität:Edel-Juwelier als Daueropfer

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Nach dem vierten Blitzeinbruch zieht der Inhaber eines Starnberger Schmuckgeschäfts Konsequenzen und präsentiert seine teuren Rolex-Modelle künftig nicht mehr im Schaufenster, sondern nur noch auf Anfrage

Von Christian Deussing, Starnberg

Ganz gezielt haben Einbrecher nach fünf Rolex-Uhren in die Vitrine gegriffen. Gesamtwert der Beute: 95 000 Euro, wobei eine der Uhren 50 000 Euro wert ist. Es geschah am frühen Morgen des 19. November an der Wittelsbacher Straße in Starnberg und war bereits der vierte Blitzeinbruch bei Edel-Juwelier Michael Mayer. Das teuerste Modell, das ihm jetzt gestohlen wurde, lag nur vier Wochen im Schaufenster. Er habe eineinhalb Jahre auf die Lieferung dieser Rolex gewartet, erzählt der Inhaber frustriert. Die unbekannten Täter haben laut Polizei in 60 Sekunden mit einer Motorsäge ein dreieckiges, bis zu 20 Zentimeter breites Loch in die Scheibe geschnitten. Es sei ein sehr dickes, schusssicheres Panzerglas der höchsten Sicherheitsstufe durchtrennt worden, klagt Mayer. Diese Glasqualität sei unter anderem sogar im Kanzleramt, in Botschaften und Museen eingebaut.

Hier seien sicher Profis am Werk gewesen, die vermutlich auf Bestellung die Rolex-Uhren gestohlen hätten, sagt Manfred Frei, Leiter der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck. Die Einbrecher könnten eine Motorsäge benutzt haben, wie sie auch Rettungskräfte verwenden, die ganz schnell etwas durchtrennen müssten. Die Ermittler gehen anhand der Überwachungsbilder von mindestens zwei Tätern aus, die um 4.16 Uhr morgens in eine nicht bekannte Richtung geflüchtet sind. Von ihnen fehlt bislang jede Spur.

Die nächsten Juwelierfachgeschäfte, die wie Mayer die Rolex in höchsten Preisklassen nebst Wartungsarbeiten anbieten, sind recht weit von Starnberg entfernt. Sie befinden sich in München, Garmisch oder Bad Wörishofen. Mayer ist leidgeprüft: Bei den Blitzeinbrüchen vor acht und neun Jahren wurden ihm insgesamt 45 Uhren im Wert von 170 000 Euro gestohlen. Zudem entstand erheblicher Sachschaden. Abgesehen hatten es die rabiaten Diebe hauptsächlich auf Stahlgold-Modelle von Breitling und andere Luxus-Marken. Im letzteren Fall, in einer Julinacht 2011, ließen die Einbrecher, die damals vom Innenhof aus die Auslage mit einem Trennschleifer aufgeschnitten hatten, auf der Flucht ihre Motorflex vor dem Schaufenster zurück, denn der Lärm hatte Anwohner aufgeschreckt.

Der größte Coup gelang Einbrechern bereits 2003: Am 11. April waren sie mit ihrem Auto wie mit einem Rammbock rückwärts in die Schaufensterfront gerast und hatten blitzschnell Uhren und Schmuck im Wert von rund 250 000 Euro zusammengerafft. Das Tatauto war im München gestohlen und später am Seefelder Schloss entdeckt worden. Danach hat Mayer vier Betonpfeiler vor seinem Schaufenster installiert, damit die Rammbock-Methode nicht mehr funktioniert. Schon vor dem ersten Einbruch hatte es laut Mayer sechs Versuche gegeben. Und an Ostern 2017 scheiterten Unbekannte mit einem Gullydeckel, mit dem sie das Sicherheitsglas einschlagen wollten.

Mayer und seine neun Mitarbeiter sind äußerst wachsam, um zu bemerken, ob jemand das Geschäft ausspioniert. "Wir haben unsere Antennen ausgefahren", sagt der 60-jährige Juwelier. Er hat jetzt ein Schild in die Auslage gestellt und bittet die Kunden um Verständnis, das derzeit dort keine Rolex-Modelle präsentiert werden. Das erfolge nun mit Beratung nur während der Geschäftszeit, erklärt Mayer, der aber weiterhin auch Luxus-Uhren verkaufen will - trotz der Gefahr, erneut Opfer von Einbruchsbanden zu werden. Der Juwelier gibt aber zu, manchmal nachts mit einem "unruhigen Gefühl ins Bett zu gehen", weil er fürchtet, dass später Alarm ausgelöst werden könnte. Dennoch betont er: "Ich bin ein optimistischer Mensch."

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Quelle:
SZ vom 29.11.2019
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