Süddeutsche Zeitung

Literatur:Unter Verdacht

Anna Schneider arbeitete früher als Bankerin, heute schreibt sie unter dem Pseudonym Anna Simons Krimis. In der Buchhandlung Kirchheim stellt sie ihren Roman "Verborgen" über eine ermittelnde Gefängnisärztin vor

Von Blanche Mamer, Gauting

Als Jugendliche hatte sie nur einen Berufswunsch: Sie wollte zur Kriminalpolizei. Bei der Aufnahmeprüfung nach dem Abi habe sie bei den schriftlichen Tests gut abgeschnitten, sei aber trotzdem abgelehnt worden, erzählt Autorin Anna Schneider bei ihrer Lesung in der Buchhandlung Kirchheim in Gauting. "Ich bin beim psychologischen Test durchgefallen. Man sagte mir, ich würde zu viel nachdenken, zu viele Fragen stellen und käme nie oder zu spät dazu, im Ernstfall die Waffe zu ziehen." Doch es fügt sich alles, findet sie. Nun schreibt sie unter dem Pseudonym Anna Simons Kriminalromane.

"Verborgen" ist der erste Fall von Gefängnisärztin Eva Korell. "Meine Eva ist neu in München und tritt ihren neuen Job als Ärztin in der fiktiven Justizvollzugsanstalt Wiesheim an, nicht weit von der A 99. Sie war zuvor Notfallärztin in einer Klinik in Berlin, total überarbeit und kurz vor dem Burnout", erzählt die Autorin. Noch bevor ihre Protagonistin ihre Arbeit in der Haftanstalt antritt, übernimmt sie eine Notfallversorgung und wird mit einem Fall von häuslicher Gewalt konfrontiert.

Es gebe zwei Themen in Deutschland, die gern totgeschwiegen werden, auf die man somit nicht oft genug aufmerksam machen könne: "Das sind Kindesmissbrauch und häusliche Gewalt. Mein Thema hier ist häusliche Gewalt; laut Statistik erlebt jede vierte Frau Gewalt in der Ehe. Und das geht quer durch alle sozialen Schichten und Berufsgruppen", sagt Anna Simons. Sie selbst hat früh von solch einem brutalen Verbrechen erfahren. Als 16-Jährige kannte sie eine Kollegin ihrer Mutter, die jahrelang an keinen Betriebsfeiern oder Ausflügen teilnahm. Als sie es einmal doch wagte, kam sie schwer verletzt ins Krankenhaus. Ihr Mann hatte ihr vor lauter Wut über ihr Verhalten mit einer Axt die Nase abgeschlagen. Das hat die Autorin mehr als 30 Jahre nicht losgelassen.

Ganz so blutig ist es der Figur Nicole Arendt in ihrer Ehe nicht ergangen, doch ihrem Mann, dem sie immer wieder verziehen hatte, traut sie schließlich doch mehrere schwere Vergewaltigungen zu. Er ist einer von Evas Patienten im Knast, wodurch diese in den Kriminalfall involviert wird und viel zu viele Fragen stellt. Und manchmal wohl auch zu lange überlegt. "Miss-Marple-like" nennt Simons die Ermittlungen von Frau Doktor Korell. Spannend finden es die Zuhörer und stürzen sich am Ende auf das Buch.

Das Manuskript für den zweiten Fall habe sie am vergangenen Mittwoch zur Post gebracht, erzählt Schneider alias Simons. Geplant ist eine Reihe von sechs Bänden im Penguin-Verlag. "Verborgen" ist ihr siebtes Buch, bisher hat sie Thriller für Jugendliche unter dem eigenen Namen und Jugendbücher unter dem Pseudonym Anna Martens geschrieben. Das neue Pseudonym sei notwendig geworden, weil sie nicht wolle, dass jugendliche Leser nach ihr suchen und dann auf eine für sie nicht geeignete Story über brutale Verbrechen stoßen. Die Idee, Krimis zu schreiben, trieb sie schon eine Zeitlang um, war sie doch schon lange Fan der amerikanischen Autorin Karin Slaughter und des englischen Autorenehepaars Nicci French. Der entscheidende Anstoß kam von ihrem Mann: Er kehrte von einem Klassentreffen zurück und berichtete von seinem Schulfreund Wolfgang, bis dahin Chirurg an der Charité in Berlin, der eine Stelle als Gefängnisarzt angenommen hatte. "Das war wie ein Geistesblitz. Fünf Tage später hatte ich das Exposé für eine Reihe fertig."

Seit zwölf Jahren lebt Anna Schneider mit ihrer Familie in Gauting. Nach dem Umzug von Frankfurt ins Würmtal startete sie ihre Karriere als Autorin. Eigentlich hatte sie ja an der Uni Trier Betriebswirtschaft studiert und promoviert, danach als Managerin und Personalberaterin in einer Frankfurter Großbank gearbeitet, war im Organisationsteam zur Jahrtausendwende und der Euro-Umstellung. Und eine echte Workaholic, wie sie sagt. Als ihr Mann, auch ein Banker, von Frankfurt nach München versetzt wurde, zog die Familie mit um. Heute sind die Söhne 15 und 13 Jahre alt und kommen gut in Bayern zurecht.

"Anfangs war es nicht einfach für mich. Ich kannte ja niemanden und es ging mir gar nicht gut. Da fing ich mit dem Schreiben an und habe mir den Frust mit zehn Toten auf zehn Seiten von der Seele geschrieben", erzählt die 52-Jährige und lacht. Sie reichte die Kurzgeschichte zu einem Wettbewerb ein und gewann den ersten Preis. Alles gut.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2019
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