Gastronomie:Die Krimiwirtin vom Schatzberg

Lesezeit: 4 min

Mit allen Wassern gewaschen: die Wirtin und Krimiautorin Inga Persson. (Foto: Nila Thiel)

Inga Persson hat schon viel ausprobiert in ihrem Leben. Sie arbeitete in der Landwirtschaft, studierte Literaturwissenschaften und war Ghostwriterin für Politiker. Seit sieben Jahren führt sie das Lokal hoch über dem Ammersee - und hat zwei Bücher veröffentlicht.

Von Astrid Becker

Ausprobieren. Dieses Wort verwendet Inga Persson recht häufig. Vielleicht, weil es fast so eine Art Lebensmotto für die 55-jährige Wahldießenerin ist. Die blonde, schlanke Frau lebt hoch über dem Ammersee. Dort droben betreibt sie die Schatzbergalm, ein beliebtes Ausflugsziel, das ihr Mann von seiner Großmutter geerbt hat. Seit diesem Sommer kocht die Wirtin hier auch selbst. An diesem etwa regnerischen Tag ist sie aber hinter der Schänke anzutreffen. Auf dem Tresen stehen zwei Bücher: "Tod am Ammersee" und "Rache am Ammersee". Die Krimis hat Persson geschrieben. Weil sie mal wieder etwas ausprobieren wollte.

Tatsächlich hat sie das schon oft in ihrem Leben gemacht, sich zigfach neu erfunden. Zum Beispiel damals in ihrer Jugend in Schleswig-Holstein. Dort, zwischen Steinburg und Nordfriesland, ist sie aufgewachsen, genauer gesagt in Dithmarschen, berühmt für flaches Land, für das Wasser, das es von allen Seiten umgibt, als größtes Kohlanbaugebiet Deutschlands und als einstige Bauernrepublik: "Ja, bei uns gibt es viel Landwirtschaft, viele Milchkühe", sagt Persson. Deshalb hält sie sich auch von klein auf viel in Ställen auf. Und obwohl ihr Deutschlehrer sie immer wieder darauf hinweist, doch bitte Germanistik zu studieren, schlägt sie zunächst eine ganz andere Richtung ein: Sie will Bäuerin werden und absolviert dafür eine Lehre in der Landwirtschaft. "Worüber ich nicht nachgedacht habe, war, dass ich dann auch einen Hof brauche."

Hütten-Klassiker
:Bayerische Dampfnudeln mit Vanillesauce

Spitzengenuss für daheim: der Hüttenklassiker zum Nachkochen.

Unterstützung bekommt sie von ihrem Lehrherrn, der ihr allerlei Männer im heiratsfähigen Alter vorstellt: "Ich habe gesagt, aber bitte nur welche, die mehr als 100 Hektar Fläche besitzen." Daraus wird aber nichts, denn irgendwann wird ihr etwas ganz anderes bewusst: die Rolle der Frau in der Landwirtschaft. "Da wäre ich wahrscheinlich nicht auf dem Traktor oder im Stall gelandet, sondern in der Küche."

Dort ist sie zwar jetzt auch gelandet, aber für sie ist das etwas anderes: "Es ist mein eigener Betrieb." Unabhängig zu sein, das ist schnell zu spüren, ist ihr wichtig. Immer schon. Und weil das mit der Landwirtschaft für sie dann doch nicht recht funktioniert, geht sie nach Bonn und studiert Literaturwissenschaften, Kunstgeschichte und Philosophie: "Ich wollte mal wieder was ausprobieren, wissen, ob ich das kann."

Und schon ist da wieder der Satz mit dem "Ausprobieren". Sie scheint mit dieser Haltung Glück zu haben. Denn die Stadt Bonn gefällt ihr, sie liebt den Rhein und die Nähe zur Bundespolitik, deren Zentrum Bonn damals noch war. Sie arbeitet an der Universität als studentische Hilfskraft, leitet die Bibliothek ihres Instituts, lernt und legt ihre Magisterprüfung ab. Eine gute Freundin vermittelt ihr einen Job in einem Abgeordnetenbüro.

Den Deutschen Bundestag nennt sie heute ihre "Lebensschule": Über viele verschiedene Themen muss sie dort als Ghostwriterin schreiben. 1994 promoviert sie im Fach Mediävistik ("auch da wollte ich ausprobieren, ob ich das kann"), ihr Spezialgebiet sind dabei die Zeichen, die Farben und ihre Symbolik im Mittelalter. Sie beginnt in einer PR-Agentur zu arbeiten, um schon bald festzustellen, dass es besser für sie ist, sich mit eigenen Agenturen selbständig zu machen: "Auch das wollte ich ausprobieren", sagt sie.

In der Zwischenzeit hatte sie die Liebe bereits nach München geführt: "Mein damaliger Lebensgefährte war Jurist und wollte unbedingt nach Bayern", erzählt sie. Sie bekommt einen Sohn.

Cremige Pilz-Sahnesauce
:Semmelknödel mit Rahmschwammerln

Zünftig bayerisch, eine gute Bier-Unterlage und trotzdem vegetarisch: Semmelknödel mit Pilzen in einer cremigen Sahnesauce.

Als sie eines Tages einen Handwerker für ihr Haus braucht, soll sie ihren späteren Mann kennenlernen: Anton Purr, der in Dießen eine Zimmerei besitzt - und die Schatzbergalm, die er von seiner Großmutter geerbt hatte. Sie ist noch ein paar Jahre verpachtet, bis das Paar sich entschließt, über die beliebte Ausflugsgaststätte hoch über dem Ammersee zu ziehen und sie selbst zu betreiben. Genauer gesagt: Sie beschließt, nun Wirtin zu werden. Dieses Mal spricht sie nicht davon, auch das einfach mal ausprobieren zu wollen, sondern: "Ich wollte endlich mal wieder mein eigenes Ding machen."

Das war vor sieben Jahren. In der ersten Zeit arbeitet sie im Service mit und hilft auch dem Koch bei der Zubereitung der Speisen. Bis heuer. Bis der Koch sie an Kirchweih "hängen lässt", wie sie sagt. "Deshalb stehe ich jetzt selbst in der Küche, so kommen die Speisen wenigstens so zum Gast, wie ich sie mir vorstelle."

Ihr Lokal sei wetterabhängig, und so findet sie auch immer wieder die Zeit, über Stoff für ihre Krimis nachzudenken. Eines Tages, so erzählt sie, hatte ihr Mann ihr eine Geschichte über eine Pistole aus dem Zweiten Weltkrieg erzählt, die er im Firstgiebel eines Hauses gefunden hat: "Das hat mich zu meinem ersten Fall inspiriert, meine Fantasie ist im Galopp gesprungen."

Es dauert allerdings ein paar Jahre, bis das Buch beim Emons-Verlag erscheint. Doch von diesem Zeitpunkt an werden von ihr immer neue Manuskripte gefordert. Ihr Zweitling ist bereits auf dem Markt, ein drittes Buch so gut wie fertig, im November wird sie mit einem vierten beginnen: "Da machen wir einen Monat Betriebsurlaub, da habe ich genug Zeit." Allerdings wird sie sich nicht zuhause an den Schreibtisch dafür setzen, sondern nach Sri Lanka fahren: "Da denke ich mir dann erst mal einen Plot aus, das geht nur fern der Wirtschaft." In Frankreich, wo eine gute Freundin ein Haus besitzt, ist ihr das auch bereits gelungen. Hat sie den Plot fertig, beginnt sie nach der Rückkehr zu schreiben - mittlerweile an einem Co-Working-Place im Dießener Denkerhaus: "Da habe ich mich eingemietet, weil ich dort ungestört bin."

Wann sie es überhaupt schafft, vom Schatzberg in den Ort zu kommen? "Meist an Ruhetagen", sagt sie. Also immer montags und dienstags. Und wer sie fragt, wie sie das alles unter einen Hut bekommt, wird meist nur eine Antwort erhalten: "Das muss man ausprobieren." Was sonst.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Obazda, Knödel und Co.
:Unsere besten Bier-Rezepte

Vom Original-Obazdn über Brezensalat bis zu Semmelknödeln - diese Gerichte enthalten Bier oder schmecken dazu.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: