Kreisklinik Starnberg:Patientin verklagt Belegarzt nach OP auf mehr als 200.000 Euro

Nach dem Hüft-Eingriff soll es zu Komplikationen gekommen sein. Seitdem ist die Münchnerin auf Krücken angewiesen. Der Anwalt des Arztes weist die Vorwürfe zurück.

Von Christian Deussing

Sie wanderte gerne und war sehr mobil. Jetzt ist die agile Frau auf Krücken und einen Rollator angewiesen. Ihren Job in einem Büro kann sie nicht mehr ausüben. Die robuste Münchnerin wollte sich im Juni 2015 wegen ihrer Hüftarthrose minimalinvasiv ein neues Gelenk einsetzen lassen. Hierzu war der damals 56-Jährigen ein erfahrener Orthopäde aus der Region empfohlen worden, dem die Patientin vertraute. Doch bei der Operation im Starnberger Kreisklinikum soll es wegen einer verletzten Arterie zu heftigen Blutungen und zu einer lebensbedrohlichen Komplikation gekommen sein. Das belege ein medizinisches Gutachten, betont Fachanwalt Marcel Vachek.

Er geht von einem ärztlichen Behandlungsfehler aus und hat daher den Arzt vor dem Landgericht München II verklagt. Seine Mandantin fordert 125 000 Euro Schmerzensgeld sowie weitere 90 000 Euro wegen ihres bisherigen Verdienstausfalls und der Behandlungskosten. In dem Zivilprozess trafen am Dienstag die Klägerin und der Belegarzt aufeinander. Sie begrüßten sich nur kurz, es war wohl für beiden Seiten im dritten Stock des Gerichtsgebäudes ein beklemmender Moment. Die Frau hatte erst viel später erfahren, dass entgegen ihrer Erwartung ein anderer Orthopäde operiert hatte - nämlich ein jüngerer Kollege. Der saß an diesem Verhandlungstag nicht auf der Anklagebank, was den Patientenanwalt verwunderte.

Er monierte, dass der eigentlich ausgewählte Arzt auch für die Operation eingetragen worden sei. Zudem sei ein zweiter OP-Bericht in "entscheidenden Punkten geschönt und nachträglich wohl frisiert" worden, um offenkundig "etwas zu verschleiern". So sei das heftig pulsierende Gefäß als "venöse und nicht arterielle Blutung" dargestellt worden, erklärte der promovierte Anwalt, der im Medizinrecht nur Patienten vertritt. Das alles seien "auffällig relevante Abweichungen", betonte der Jurist in der Verhandlung. Dem stimmte eine richterliche Beisitzerin zu, ohne diesen Befund jedoch zu bewerten. Der Vorsitzende Richter Thomas Stelzner ließ aber durchblicken, dass er anhand des im Prozess vorgelegten Gutachtens von einer "arteriellen Blutung" ausgehe.

Bislang weist der Verteidiger des beklagten Arztes die Vorwürfe zurück, die ihm "ohnehin neu" seien. Zudem sieht er keinerlei Anlass, ein fehlerhaftes Verschulden des Operateurs anzuerkennen und somit womöglich auch noch einem Vergleich zuzustimmen. Für den Anwalt ist das vorgelegte Gutachten der Gegenseite zu dem OP-Fall "angreifbar und nicht überzeugend". Der Verteidiger will in den kommenden Wochen auf die Vorwürfe der Patientin und ihres Anwalts eingehen, der seinerseits der Medizinkammer des Landgerichts München II seine Beschuldigungen noch detaillierter begründen soll. Danach wird ein weiterer Sachverständiger den Fall noch genauer beleuchten.

Am Ende des Prozesstages ging der Orthopäde auf die Patientin zu, gab ihr die Hand und verschwand mit seinem Anwalt. Nach Angaben des Gerichts führte der Facharzt früher hundert operative Eingriffe im Jahr durch. Danach wechselte er sich mit seinem Praxiskollegen dabei ab - auch alternierend in der Rolle des Chefoperateurs, wie es weiter hieß. Die Klägerin stand nach der Verhandlung auf und verließ mit ihren Krücken den Saal. Den rechten Fuß könne sie kaum noch bewegen, sagte sie, die einstige Wanderin.

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