Süddeutsche Zeitung

Gründungsfeier:Künstler verschaffen sich Gehör

Die Kreativen rund um Starnberger See und Ammersee haben nun eine Interessenvertretung. "Pulsiv" nennt sich ihr Verband, der um weitere Mitglieder wirbt.

Von Michael Berzl

Einmal kniet der Cartoonist Peter Gaymann aus Schäftlarn sogar nieder, um mitten im Partytrubel weiter an einem Bild mit Huhn zu zeichnen. Für das freche Federvieh in seinen Zeichnungen ist er bekannt. Gerade hatte der Pianist Martin Schmitt aus Seefeld seinen Auftritt, durch den Abend leitet der Radiomoderator Andy Wenzel aus Breitbrunn. Bildende Kunst, Musik, Radio: drei Vertreter einer kreativen Szene rund um Starnberger See und Ammersee, die hier in der Alten Brauerei in Stegen mit etwa hundert Gästen feiert. Das sind mehr als die Veranstalter erwartet hatten.

Zu feiern ist die Gründung einer Interessenvertretung. "Pulsiv" nennt sich der Verband der Kultur- und Kreativwirtschaft. Vor gut vier Monaten haben dort elf Gründungsmitglieder unter Federführung von Daniela Tewes von der Wirtschaftsfördergesellschaft des Landkreises Starnberg die Formalien erledigt, nun soll das Ganze mit Leben gefüllt werden. "Ein zwingender Schritt, der schon vor 30 Jahren hätte passieren müssen", meint beispielsweise die Grafikerin Rosemarie Zacher, die aus Gauting zur Verbandsfeier am Dienstagabend gekommen ist. Einen Mitgliedsantrag hat sie jedenfalls mal mitgenommen. Hundert Euro kostet der Jahresbeitrag.

Trotz hoher Umsätze habe die Branche "wenig Sichtbarkeit nach außen", sagte die Pulsiv-Vorsitzende Gesine Dorschner aus Herrsching bei der Feier. Der Verband wolle Ansprechpartner und Kooperationspartner sein - auch für Unternehmen. Praktische Beispiele: In einem Kreativpool könnte einmal ein Musiker für eine Weihnachtsfeier oder ein Filmteam für einen Imagefilm zu finden sein.

Sehr groß ist der Verband allerdings noch nicht. Zu den elf Gründungsmitgliedern dürften dank der Party noch etwas mehr als zehn dazugekommen sein, schätzt Nikolaus Eisenblätter aus Weilheim, der sich um die Kommunikation kümmert und die Aufgabe eines Verbandssprechers übernommen hat. Und so hat die Feier auch den Zweck einer Werbeveranstaltung in eigener Sache; mit plakativem Zuprosten für die Fotografen und gegenseitigem Schulterklopfen. "Wir wollen hier die Pulsiv-Rakete starten", verkündete entschlossen gut gelaunt der Moderator Wenzel. Man feiert sich selbst und will sich Gehör verschaffen. Viel ist an dem Abend von Vernetzung und Netzwerken die Rede.

Es liegt ja auch nahe: Es gibt die Industrie- und Handelskammer und Gewerkschaften, die Bauern haben ihren Verband und die Wirte. Nun gibt es auch einen Zusammenschluss von Musikern und Malern, Architekten und Designern, Leuten die beim Film oder beim Radio arbeiten, die Bücher schreiben oder Computerspiele programmieren und anderen Menschen, die sich der Kreativwirtschaft zugehörig fühlen. Tatsächlich spielt der wirtschaftliche Aspekt in diesem Verband eine große Rolle, wie bei der nachgeholten Gründungsfeier immer wieder deutlich wird. So spricht auch der Moderator Wenzel von dem "enormen Potential", von der Kreativwirtschaft als "Image- und Standortfaktor". Mediatorin und Vorstandsmitglied Claudia Spieß aus Gauting weist auf die Milliarden hin, die in der Branche verdient würden.

Die Finanzen haben wohl auch bei der Verbandsgründung eine Rolle gespielt. Aus einem mehrjährigen Förderprogramm des bayerischen Wirtschaftsministeriums gab es Geld für so etwas . Dann vor gut einem Jahr eine Veranstaltung in der Politischen Akademie in Tutzing, bei der der "Startschuss" fiel, wie Daniela Tewes via Bildschirm berichtete, da sie krankheitsbedingt nicht zu der Feier kommen konnte. Dabei wäre es ohne ihr ausdauerndes Engagement wohl kaum so weit gekommen. Als "Mastermind" bezeichnete sie Wenzel. "Es geht auch darum, die gesellschaftliche Wirkung zu verdeutlichen, das Potenzial der Kreativen für die gesamte Region aufzuzeigen und spannende Partner für Kooperationen zu finden", hatte Tewes anlässlich der Gründung im Mai erklärt. "Es ist wichtig, dass so ein Verein den Leuten Unterstützung gibt", sagte nun Landrat Stefan Frey (CSU) in seiner Ansprache. Und auch der Vertreter der Politik verbreitete Zuversicht: "Da ist viel Tatkraft, viel Schwung. Starten wir gemeinsam durch!"

Am Dienstag wurde erstmal gefeiert. Mit Drinks und Häppchen, mit vielen Gesprächen und mit Musik. Zum Auftakt mit dem Duo "Klang-Zeit" aus Breitbrunn; das sind die Geigerin Marie-Josefin Melchior und Johann Zeller mit dem Akkordeon. Nach den Reden mit viel Lob und Aufbruchstimmung kommt der für drei Nummern gebuchte Pianist, Spaßmacher und Charmeur Martin Schmitt. Dessen Humor jedoch wirkt etwas aus der Zeit gefallen, als er einen Gag mit sächsischem Dialekt inklusive Trabi-Witz darbietet und seinen Zuhörerinnen dann auch eine Zote nicht erspart, in der 25 nackte Schwedinnen auf der Ledergarnitur in der Künstlergarderobe vorkommen.

Das nächste offene Treffen des Verbands "Pulsiv" findet am Mittwoch, 19. Oktober, in den Räumen der Alten Brauerei in Stegen statt. Beginn ist um 18.30 Uhr.

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