Gesundheitspolitik:"Wir fühlen uns hingehalten"

Gesundheitspolitik: Etwa 70 Mitarbeiter der Starnberger Klinik protestieren am Mittwoch vor dem Krankenhaus.

Etwa 70 Mitarbeiter der Starnberger Klinik protestieren am Mittwoch vor dem Krankenhaus.

(Foto: Nila Thiel)

Die Kosten steigen, doch vom Bund gibt es kein Geld: Mitarbeiter der Starnberger Klinik protestieren, weil sie ein unkontrolliertes Sterben der Krankenhäuser befürchten.

Von Carolin Fries, Starnberg

Die junge Pflegerin schaut auf die Uhr, dann nimmt sie das Schild mit der Aufschrift "Wir möchten weiter für euch da sein" herunter und drückt es einer Kollegin in die Hand. Noch länger protestieren kann sie nicht, die Arbeit auf Station ruft. Diese Situation am Mittwochvormittag vor der Starnberger Klinik zeigt, wie unzufrieden viele Klinik-Mitarbeiter mit der aktuellen Gesundheitspolitik sind - und wie gewissenhaft und zuverlässig sie sich dennoch weiterhin um ihre Patienten kümmern. Es ist - mal wieder oder immer noch - ein Dilemma in der Gesundheitsbranche.

"Selbstverständlich" habe er sich der Aktion "Alarmstufe Rot - Krankenhäuser in Not" angeschlossen, zu der die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKGEV) bundesweit aufgerufen hat, sagt ein Klinik-Mitarbeiter. Denn auch er fragt sich: "Wie soll das weitergehen?" Chronisch unterfinanziert sei das System, wie Peter Lenz vorrechnet. Der Geschäftsführer der Starnberger Klinik ist frustriert, weil die inflationsbedingten Kostensteigerungen nicht ausgeglichen werden. Die Klinik hat mit gestiegenen Gaskosten zu kämpfen, mit höheren Material- und vor allem Medikamentenkosten sowie Tariferhöhungen beim Personal. "Das wird alles nicht refinanziert."

Lenz wundert es deshalb nicht, dass die ersten Kliniken in München in finanziellen Schwierigkeiten sind und der Nachbarlandkreis an diesem Freitag über einen Insolvenzantrag der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH berät. Ein kontrolliertes Kliniksterben sei ja politisch gewollt - doch hat das überhaupt jemand unter Kontrolle, fragen sie sich in Starnberg. "Wenn ein Krankenhaus erst einmal dicht gemacht ist, dann ist es zu spät für Protestaktionen", so Pflegedirektor Martin Endres.

Also stehen sie heute etwa 70 Klinik-Mitarbeiter zusammen vor dem Krankenhaus, die Geschäftsführung nennt das eine "aktive Mittagspause". Es gibt Brezen, Leberkässemmeln, Gebäck und Getränke. Verwaltungsmitarbeiter stehen neben Pflegern, Ärztinnen neben Buchhaltern. Die Stimmung ist gut - vielleicht weil man sich einig ist, dass die Gesamtlage es nicht ist. An einem Stehtisch steht Hans Schobel, Internist und Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbands. Warum er heute hier ist? "Weil ich einfach Angst habe, dass in der Überbrückungsphase der Krankenhausreform viele Kliniken sterben."

Gesundheitspolitik: Der Ärztliche Direktor Thomas Lang, Pflegedirektor Martin Endres und Geschäftsführer Peter Lenz (von links) erläutern die wirtschaftliche Lage der Starnberger Klinik.

Der Ärztliche Direktor Thomas Lang, Pflegedirektor Martin Endres und Geschäftsführer Peter Lenz (von links) erläutern die wirtschaftliche Lage der Starnberger Klinik.

(Foto: Nila Thiel)

Zwei Jahre, so schätzt er, wird es wohl dauern, bis ein neues Finanzierungsmodell das System trägt. Zwei Jahre, die für so manches Haus zu lang sein werden. Ob sie denn nicht glauben, dass die angekündigte Krankenhausreform die ersehnte Entlastung und Rückbesinnung auf die medizinische Leistung bringen kann? Peter Lenz rollt mit den Augen. "Das verzögert sich alles", sagt er. Denn noch immer läge kein Entwurf vor.

"Wir fühlen uns hingehalten, wenn nicht verschaukelt", sagt Thomas Lang. Der Ärztliche Direktor und Leiter der Kinderklinik befürchtet, dass langfristig Fachärzte fehlen werden, vor allem im ländlichen Bereich. Denn wenn Kliniken aus wirtschaftlichen Gründen schließen müssten, fielen Ausbildungsplätze weg - und damit Ärzte, die in Praxen einsteigen oder diese von einem älteren Kollegen übernehmen würden. Und das Fachpersonal in den Kliniken werde ebenfalls wegbrechen: "Es wird nicht funktionieren, Personal wie eine Rohmasse aus einer Klinik in eine andere zu versetzen", ist Pflegedirektor Endres überzeugt.

Kommunen und Landkreisen sei die Finanzierungsfrage nicht mehr aufzubürden

Viel eher wanderten die OP-Schwestern und Krankenpfleger in andere Berufe ab. "Die spüren auch, dass die Pflege ein schlechtes Image hat." Endres zeichnet mit dem Finger eine Abwärtsspirale in die Luft. "Gibt es weniger Krankenhäuser, gibt es weniger Krankenpflegeschulen, gibt es weniger Fachkräfte." In Starnberg sei es gelungen, heuer mit 50 Pflegeschülern in zwei Klassen ins Ausbildungsjahr zu starten. Weil man hier überzeugt ist, dass es sich lohnt, in den Nachwuchs zu investieren. Doch wie lange noch?

Noch gibt es in der 300-Betten-Klinik in der Kreisstadt auch noch ausreichend Pflegekräfte, lediglich im OP-Bereich und in der Kinderklinik seien nicht alle Stellen besetzt. In Letzterer etwa fehlen momentan 14 Pfleger. Hier müsse man wie viele andere Krankenhäuser auch auf Zeitarbeitsfirmen zurückgreifen, um die personellen Lücken zu füllen, erzählt Pflegeleitung Petra Schwaiger. Für das Team ist das eine ungute Situation, weil die "rettenden Kollegen" mehr verdienen, in herausfordernden Situationen aber gerne extern sind und sich nicht zuständig fühlen. Schwaiger spricht von "modernem Raubrittertum" - die Kliniken würden durch solche Modelle schlicht ausgenommen.

Peter Lenz hat darum genug von leeren Versprechungen. Er will nur eines hören: Dass es jetzt Geld gibt, um die Liquidität der Krankenhäuser in der Übergangsphase zu sichern. Den Landkreisen und Kommunen könne man diese Aufgabe nicht auch noch aufbürden.

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