Kraillinger Doppelmord:Und nichts als die Wahrheit

Tatverdächtiger wird von seiner Frau gedrängt, sein Schweigen zu brechen - die Scheidung ist schon eingereicht.

Christian Deussing

Sie will sich nach 15 Jahren Ehe sofort von ihrem Mann Thomas S. scheiden lassen. Dieser sitzt als mutmaßlicher Mörder seiner acht- und elfjährigen Nichten Chiara und Sharon aus Krailling seit dem 1. April in Untersuchungshaft. Denn Ursula S. aus Peißenberg, die mit dem dringend tatverdächtigen Postzusteller vier Kinder hat, ist verzweifelt. Die 44-jährige gelernte Erzieherin fordert von ihrem Mann, endlich die Wahrheit zu sagen. Seine Mandantin wolle "Klarheit darüber haben, ob ihr Mann die Kinder ihrer Schwester in Krailling umgebracht hat", sagte am Dienstag dazu ihr Weilheimer Anwalt Manfred Wölke der SZ. Bislang hat Thomas S. die Tat vom 24. März bestritten. Ansonsten schweigt der 50-Jährige, der aus erster Ehe zwei weitere Kinder hat. Ursula S. habe nichts von der Finanznot und geplanten Zwangsversteigerung des Hauses in Peißenberg gewusst, betonte ihr Anwalt. Zwar laufe das Verfahren bereits seit 2009, aber Thomas S. habe seiner Frau als Miteigentümerin nichts mitgeteilt. Hatte also der Familienvater die prekäre Lage verheimlicht und Angst gehabt, dass alles auffliegt?

Peißenberg Haus des Onkel der Kraillinger Mädchen

Peißenberg Haus des Onkel der Kraillinger Mädchen Peißenberg, Ecke Ludwig-Thoma-Str. und Franz Ringseis-Straße, Haus des Onkel der in Krailling getöteten Mädchen - Verschlusssiegel der Polizei. Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

Wölke weiß zudem von Vorwürfen und Verdächtigungen seiner Mandantin aus der eigenen Familie. Dies setze sie ebenso unter Druck. Doch sich scheiden lassen zu wollen, sei ein "erster großer Schritt, sich von dem mutmaßlich unvorstellbaren Verhalten" ihres Mannes zu distanzieren, so der Anwalt.

Dagegen will der Münchner Pflichtverteidiger des Tatverdächtigen, Karl Peter Lachniet, zunächst prüfen, ob der Scheidungsantrag in "diesem Härtefall" überhaupt zulässig ist. Er vermute, dass sich Ursula S. ihrer Kraillinger Familie gegenüber "Position beziehen und ein Signal setzen" wolle. Jedenfalls sei sie durch das Verbrechen schwer getroffen.

Nach SZ-Informationen hatte der Postzusteller seit längerem mit Schulden zu kämpfen. Zudem wurde das Haus in Peißenberg nicht fertig gebaut, weil das Geld fehlte. Vor 14 Jahren war Thomas S. trotz einer Bürgschaft mit einem Teppichgeschäft in München nach kurzer Zeit als Inhaber gescheitert. Die Ermittler vermuten, dass er auch seine Schwägerin in Krailling umbringen wollte, mit der es offenbar Streit um eine Eigentumswohnung im Wert von etwa 80000 Euro gegeben haben soll. Die Immobilie hatten Ursula S. und ihre Schwester, die Mutter der Mordopfer, geerbt. Als Motiv für das Verbrechen gilt bisher Habgier.

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