Süddeutsche Zeitung

Tanklager in Starnberg:"Die Leute bunkern"

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Von der kürzlich beschlossenen Freigabe staatlicher Ölreserven ist das Tanklager in Krailling nicht betroffen. Und doch ist auf dem Gelände momentan viel mehr los als gewöhnlich. Woran liegt das?

Von Carolin Fries, Krailling

Es sind deutlich mehr Tanklaster als gewöhnlich, die in diesen Tagen das Eingangstor der Krailling Oil Development GmbH (KOD) im Kreuzlinger Forst zwischen Germering, Gauting und Krailling passieren. Doch mit der kürzlich von der Bundesregierung beschlossenen Freigabe staatlicher Ölreserven hat das erhöhte Verkehrsaufkommen nichts zu tun. "Davon sind wir nicht betroffen", sagt KOD-Geschäftsführer Markus Neubauer. Stattdessen würden private Mineralölkonzerne, die die unterirdischen Tanks nutzen, verstärkt Heizöl ausliefern. "Mein Eindruck ist, dass die Leute bunkern", sagt Neubauer.

Und das, obwohl die Preise zuletzt enorm gestiegen sind. 1,40 Euro koste der Liter Heizöl aktuell, so Neubauer - "vor einem Jahr lag der Literpreis noch bei 34 Cent". Doch offenbar rechnen viele damit, dass die Energiepreise weiter steigen und füllen ihre Tanks deshalb auf. "Normalerweise wird in der Heizsaison nicht eingekauft, sondern im Herbst beziehungsweise Frühjahr", sagt Neubauer. "Ich kann mir auch vorstellen, dass die Leute in der aktuellen Lage so ihr Geld sichern wollen."

Das Kraillinger Tanklager bietet Lagerkapazitäten für insgesamt etwa 125 Millionen Liter Treibstoff - private Konzerne, die Unternehmen und Haushalte beliefern, beanspruchen davon nur einen Bruchteil. Der Großteil der Tanks beherbergt seit knapp zwei Jahren nationale Ölreserven - laut Neubauer etwa 100 Millionen Liter.

Insgesamt umfassen die Reserven der Bundesrepublik freilich deutlich mehr. Sie müssen ausreichen, um den Erdölbedarf der Bundesrepublik im Notfall für 90 Tage decken zu können. 2018 betrug die Staatsreserve demnach 22,7 Millionen Tonnen Rohöläquivalent. Die Vorratsstätten befinden sich überwiegend in 1000 bis 1500 Meter Tiefe in Kavernenspeichern in Niedersachsen.

Die KOD hatte sich nach dem Kauf des knapp 240 Hektar großen Grundstücks in Krailling 2016 bemüht, den Tanklagerbetrieb rasch wieder aufzunehmen und die Bundesrepublik als Kunden zu gewinnen. Für die langfristige Lagerung seien die unterirdischen Tanks, die konstante Temperaturen bieten, besonders geeignet, so Neubauer. Einst war hier schon einmal ein Teil der Staatsreserve untergebracht - bis die Bundesrepublik das Tanklager 2009 verkaufte.

"Wir sind voll", sagt Neubauer nun stolz. Für die Bundesregierung beziehungsweise den Erdölbevorratungsverband (EBV), welcher die Lagerung organisiert und überwacht, würden Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin bevorratet. Die in Krailling gelagerte Menge würde laut Neubauer ausreichen, um den Betrieb des Münchner Flughafens für etwa zwei Wochen zu sichern.

Doch noch würden die Reserven dort nicht angekratzt, die Bestände seien von der jüngsten Freigabe durch das Bundeswirtschaftsministerium nicht betroffen. Als Reaktion auf den Ukrainekrieg und zur Beruhigung des Ölmarktes hatte die Bundesregierung in der vergangenen Woche einen Teil - etwa drei Prozent - der nationalen Ölreserve freigegeben. "Für unseren Betrieb spielt das aktuell keine Rolle", sagt Neubauer.

Die KOD sorgt zusammen mit sogenannten Wälzungspartnern dafür, dass die Treibstoffqualität in den Tanks auch über Jahre stabil bleibt, die aktuellen Verträge mit dem EBV laufen laut Neubauer für zehn Jahre. Ob er damit rechnet, dass in Folge des Ukrainekrieges auch die Reserve in Krailling beansprucht wird? Dazu wolle und könne er sich nicht äußern. Logistisch wäre ein Abtransport jedenfalls unproblematisch, sagt er. Auf das riesige Grundstück führen Bahngleise.

Bislang wurden in Deutschland erst viermal strategische Ölreserven freigegeben. Die Anlässe waren der Golfkrieg 1990/91, die von den Hurrikanen "Katrina" und "Rita" 2005 angerichteten Schäden in den USA sowie der Ausfall libyscher Ölexporte im Jahr 2011. Zuletzt gab die Regierung im Oktober 2018, als infolge von Dürre und Hitze in Europa der Rheinpegel stark sank und somit Schiffe nicht mehr voll beladen werden konnten, eine begrenzte Menge frei.

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