Kardinal besucht Altenheim:Weihnachtslieder lassen die Erinnerungen aufleben

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Reinhard Marx singt mit den Senioren in Krailling. Demente Bewohner dürfen sich dort frei bewegen, weil ein Funkarmband Alarm schlägt, wenn sie das Haus verlassen.

Von Carolin Fries, Krailling

"Kennen Sie das?" Wie ein Chorleiter steht Kardinal Reinhard Marx von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet vor den Altenheim-Bewohnern, die sich zum gemeinsamen Singen um einen Tisch versammelt haben. Dann legt er los: "Lasst uns froooohuuund munter sein" - und alle stimmen ein. Auch das Pflegepersonal im Wohnbereich eins der Caritas-Einrichtung Maria Eich singt mit, denn "Singen funktioniert immer", sagt Wohnbereichsleiter Thomas Maciej über die 20 dementen Bewohner, die hier betreut werden. Als die letzte Zeile verklungen ist, schüttelt der Erzbischof von München und Freising hier und dort Hände, dann setzt er seinen Rundgang durch das Haus fort. "Vergesst mich nicht", sagt er noch.

Kardinal Reinhard Marx hält ein Schwätzchen mit den Teilnehmern des Strickkreises im Caritas-Altenheim Maria Eich. (Foto: Caritas)

Einen vorweihnachtlichen Besuch hat der Geistliche den Senioren und Mitarbeitern des Kraillinger Altenheims am Freitagvormittag abgestattet. "Wir haben uns sehr gefreut, dass wir ausgesucht wurden", begrüßte Einrichtungsleiterin Diana Sturzenhecker die Gäste, darunter auch Caritas-Direktor Georg Falterbaum sowie Vertreter aus Vorstand und Geschäftsführung und der stellvertretende Landrat Tim Weidner und Kraillings Bürgermeister Rudolph Haux. "Es lohnt sich", versprach sie, denn im Haus herrsche stets eine gute Stimmung.

Die Chefin muss beim Personal nicht nur aufs Geld schauen

Das läge vor allem daran, dass das Personal "nicht ausgeblutet werde" wie bei manchen privaten Trägern. Sie könne bei Personalnot auf Zeitarbeiter und einen Springerpool zurückgreifen, so Sturzenhecker. "Wir müssen nicht nur aufs Geld schauen." Der Kardinal sagte, das habe er sofort gemerkt: Die Mitarbeiter seien ehrlich motiviert, "das macht richtig Spaß". Nein, die Kirche sei kein Profitunternehmen, jedoch - "um dieses Niveau halten zu können" - auf die Steuergelder der Gläubigen angewiesen. "Wir wissen, dass nicht alle Altenheime so aussehen wie dieses."

Später sitzt der Kardinal im Massagesessel im Eingangsbereich Probe. Weil dieser bei den Bewohnern so beliebt ist, dass sich regelmäßig eine Warteschlange bildet, hat er eine zweite Liege als Geschenk mitgebracht. (Foto: Arlet Ulfers)

Besonders angetan zeigte sich Marx von der sogenannten "Konsequenten Bewohnerorientierung", wie sie in Maria Eich zum Konzept gehört. Die 164 Bewohner aus den insgesamt sechs Wohnbereichen entscheiden selbst, wie sie ihren Tag gestalten, was sie essen, ob sie zum Gottesdienst in die Kapelle gehen, sich rasieren oder im Bett liegen bleiben. Eine besondere Herausforderung ist dieser Ansatz im beschützenden Bereich, in dem demente und mitunter auch weglaufgefährdete Bewohner betreut werden. Verschlossene Türen gibt es dennoch keine. Zehn Bewohner tragen - einen richterlichen Beschluss vorausgesetzt - ein Funkarmband. An drei Punkten im Haus sowie am Haupteingang gibt es Empfängerpunkte, die im Falle eines Signals das Personal im Wohnbereich alarmieren.

Der Kardinal schenkt den Bewohnern eine Massageliege

Seit sechs Jahren bereits mache man mit diesem System ausschließlich gute Erfahrungen, so Maciej. Marx staunte über so viel Freiraum. Als er früher seine "unverheirateten Tanten" im Altenheim besucht habe, habe ihn der strenge Ablaufplan in seiner Rigorosität "aufgeregt". Seiner Vorstellung vom Alter entspreche es viel mehr, "mit 90 auch mal gemütlich eine Zigarre rauchen zu können." Noch wichtiger aber sei gutes Essen. "Essen verbindet man mit seiner Lebensgeschichte", sagte er im Gespräch mit der Küchenleitung. Täglich werden in Maria Eich 400 Essen frisch zubereitet, ein Teil wird in die Heime in den Nachbargemeinden geliefert.

Während der Kardinal von den Bewohnern mit einem selbstgebastelten Sitzkissen und einem Stern beschenkt wurde, hatte auch er Weihnachtspräsente dabei: eine Massageliege und Geld für die Gesundheitsförderung der knapp 140 Mitarbeiter sowie Teambildungsmaßnahmen. Sein aktuelles Lieblingslied ist übrigens gar nicht weihnachtlich: "Mit 66 Jahren" von Udo Jürgens ist sein Favorit, seit er vor wenigen Wochen seinen 66. Geburtstag feierte.

© SZ vom 14.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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