Hans Haldek sagt, er möge die Viecher einfach - und untertreibt damit maßlos. Das Damwild der Gemeinde Krailling ist der Lebensinhalt des 71-Jährigen. Ganz gleich, ob es schüttet, schneit oder die Sonne vom Himmel brennt: Haldek ist jeden Tag da und kümmert sich um die Hirsche und Hirschkühe, die in einem Gehege zwischen Bauhof und Waldsanatorium bisweilen wie Kängurus auf allen Vieren über die Wiese hoppeln. Dann muss selbst der Kraillinger schmunzeln. Sah der Hirsch, wie er mit seinem mächtigen Geweih unter der alten Eiche stand, doch gerade noch so erhaben aus. "Aber blöd sans ned", verteidigt Haldek seine Herde.
Krailling ist wohl die einzige Gemeinde im Landkreis, die sich eine eigene Hirschherde hält. Und Haldek wohl der einzige pensionierte Bauhofmitarbeiter, der auf Tierpfleger im Minijob umgeschult hat. Wie die Tiere hier vor Jahrzehnten auf die Wiese im Besitz der Kongregation der Barmherzigen Schwestern hergekommen sind, weiß niemand so genau.
Schwester Theodora, die bis vor zweieinhalb Jahren als Generalökonomin für das Alten- und Pflegeheim am Ortsrand zuständig war, meint sich zu erinnern, dass eine Schwester vor langer Zeit ein paar Stück Damwild von Verwandten geschenkt bekommen habe. "Damals hatte wir noch eine Landwirtschaft unterhalten", erzählt sie. Und auf ein paar Tiere mehr oder weniger sei es da nicht angekommen. Über die Jahre wurden schließlich nach und nach die Stallungen aufgelöst, nur die Hirsche blieben. Als die Gemeinde die frei gewordenen Flächen für den Bauhof mieten wollte, wurde 1994 vereinbart: Dann müsst ihr euch auch um das Damwild-Gehege kümmern.

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Vor etwa 15 Jahren hat Hans Haldek diese Aufgabe übernommen, als Mitarbeiter des Bauhofs kannte er die Tiere in unmittelbarer Nachbarschaft schließlich bestens. Er liebt es, mit Tieren zu arbeiten, wie er sagt. "Früher habe ich meinem Freund jedes Wochenende in der Landwirtschaft geholfen." Jetzt hat er seinen eigenen kleinen "Viehbetrieb". Mit Hingabe kontrolliert er regelmäßig den Zaun auf Löcher sowie die selbstgebastelten Hinweisschilder für die Besucher: Niemand soll die Tiere füttern, "das ist gefährlich". Vor ein paar Jahren sei ein Hirsch im Winter gestorben, weil er gefrorene Kohlblätter gefressen habe, die ihn derart gebläht hätten, dass er sich nicht mehr auf den Beinen habe halten können. Er sei jämmerlich erfroren. Seither füttert einzig Haldek die Tiere. Er freut sich über Futterspenden am Bauhoftor, wo im Herbst Kisten bereit stehen für gesammelte Kastanien. Altes Brot liefert einmal in der Woche die Tafel, und Apfeltrester holt er von der Mosterei Grötsch in Machtlfing. Je einen Kübel fährt er morgens um halb neun mit dem Handwagen ins Gehege und deckt damit den Futtertisch. Im Winter gibt es zusätzlich Heu.
Die Tiere halten sicheren Abstand, wenn Haldek den Zaun öffnet, insbesondere wenn Besucher dabei sind. Der Pensionär nimmt es nicht persönlich. Einmal sei ein Jungtier dabei gewesen, das ihm aus der Hand gefressen habe, erzählt er. "Aber des braucht's ned. Die sollen so bleiben, wie's san." Er braucht keine Tiere zum Schmusen und Streicheln, ihm reicht als Liebesbeweis die Gewissheit, dass sie "mich ganz genau kennen". Vor allem seine Stimme. "Ich rede viel mit denen."

Der ältere Hirsch kommt aus einem Gehege am Irschenberg, das zwei Jahre alte Jungtier habe man erst kürzlich aus Passau geholt. "Gerade sind sie in der Brunft, da fressen sie nicht viel." Dafür schlagen die Hirschkühe und der Nachwuchs kräftig zu. Aktuell sind 23 Tiere im Gehege. Zugelassen sind lediglich 13, weshalb in diesen Wochen jeden Samstag ein Jäger die männlichen Jungtiere schießt. Wenn die Tiere diesen sehen, laufen sie schnurstracks an den Zaun, der die stark befahrene Fischerfeldstraße entlang führt. "Die wissen genau, dass der Jäger sie hier nicht schießen kann." Das Fleisch landet in einer Gefriertruhe, aus der die Gemeinde ihre Mitarbeiter bedenkt. Haldek selbst isst seine Hirsche nicht, wenn auch alleine aus praktischen Gründen. "Ein Braten für mich alleine rentiert sich nicht." Dafür bekämen selbstverständlich die Barmherzigen Schwestern im Altenheim Fleisch. 24 Ordensschwestern leben noch im Haus, alle längst im Ruhestand.
"Allemal schön" sei der Blick auf das Hirschgehege, sagt eine Schwester aus dem Waldsanatorium am Telefon. Und auch wenn die Tiere längst nicht mehr jene sind, um die sich die Gemeinde ursprünglich zu kümmern hatte: "Mit der Pflege des Geheges führt die Gemeinde den Gedanken zur Wahrung der Schöpfung des Ordens fort", sagt Schwester Theodora. "Es ist uns wichtig geworden", sagt auch Kraillings Geschäftsleiter Franz Wolfrum zum Damwild-Gehege. Viele Kraillinger schätzten die Tiere beim Bauhof, die Grundschule unternehme regelmäßig Ausflüge dorthin. Hans Haldek sagt, er werde sich solange um seine Viecher kümmern, "solange ich noch krabbeln kann". Eines hat er mit seinem Damwild gemeinsam: Weder Haldek noch eines der Tiere ist in all ihren gemeinsamen Jahren einmal krank gewesen.