Süddeutsche Zeitung

Krailling:Wie sich der einzige FDP-Bürgermeister weit und breit im Amt schlägt

Gut 100 Tage führt Rudolph Haux jetzt das Rathaus in Krailling. Der 62-Jährige ist begeistert von der Vielseitigkeit des Jobs, auch wenn die Trägheit der Bürokratie ernüchtert.

Von Carolin Fries

Ja, so hat er sich das Bürgermeistersein vorgestellt: Dinge gestalten, eigene Ideen einbringen, etwas verändern. Nach etwas mehr als 100 Tagen im Amt ist Rudolph Haux spürbar begeistert, wenn er von ausgebesserten Radwegen, Verbesserungen bei der Schulwegsicherheit oder ausrangierten Fitnessgeräten erzählt, die er wieder herrichten lässt. Viel wichtiger aber ist dem 62-Jährigen, dass die knapp 8000 Kraillinger gut fänden, was er macht. "Die Leute haben das Gefühl, dass ich der Richtige bin." Woran er das fest macht? Er versucht möglichst viele Strecken im Ort zu Fuß zu machen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. "Ich bin stolz, dass ich immer noch positiv aufgenommen werde."

Ende Mai hatte sich der selbständige Unternehmer in der Stichwahl gegen Henrik Jörgens von der CSU durchgesetzt. Die vorgezogenen Wahlen wurden nötig, weil Christine Borst (CSU) aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Als FDP-Mann steht er im Landkreis alleine an der Spitze einer Kommune, lediglich acht liberale Bürgermeister gibt es in ganz Bayern. Haux fühlt sich deshalb keineswegs als Exot und hofft, den Schwung aus seinem Wahlkampf bei den Kommunalwahlen im Frühjahr auf die Liste übertragen zu können. "Drei, vielleicht sogar vier Sitze" im Gremium seien das Ziel. Aktuell vertritt alleine Sebastian Sefzig die örtlichen Liberalen. Dass er aktuell keine starke Fraktion hat, auf die er sich verlassen kann, ist ihm ein Ansporn: "Einen gemeinsamen Nenner zu suchen ist besser, als Mehrheitsbeschlüsse durchzudrücken."

Den Wahlkampf geht er deshalb entspannt an, "ich habe gelernt, was funktioniert und was nicht." Für ihn die wichtigste Erkenntnis: Man kann auch unpopuläre Dinge vertreten und gewinnen. So habe er nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Pläne für das umstrittene Betreute Wohnen beim Altenheim Maria Eich gut findet. "Widerstand ist normal" - daran hat er sich gewöhnt. Womit er sich deutlich schwerer tut, ist die Trägheit der Bürokratie. "Da habe ich jetzt eine andere Brille auf." Im Frühjahr habe er schließlich noch Stauraumsysteme für Regen- und Abwassersysteme verkauft, jetzt soll er eine Grundschule planen, die auch noch in 50 Jahren den Schülerzahlen und pädagogischen Anforderungen gerecht wird.

Einen sogenannten Bürgermeisterkurs, wie er nach den Kommunalwahlen im März wohl wieder für Quereinsteiger angeboten wird, hat er noch nicht besucht. Stattdessen hat er sich fortbilden lassen, um Hochzeitspaare trauen zu dürfen, seinen ersten Einsatz hat er im Oktober in der Linnermühle. Bis zum Jahresende will er noch einen Kameralistik-Kurs und eine Baurecht-Schulung machen. Als jüngst Hauseigentümer wegen einer Aufstockung bei ihm nachfragten, um die Eltern im eigenen Haus betreuen zu können, hätte er am liebsten sofort zugestimmt - musste aber aus dem Bauamt erfahren, dass es wohl sechs Jahre dauern würde, bis die baurechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind. "Da war ich geschockt." Dass Prozesse sich derart in die Länge ziehen, weil viele mitreden, war ihm fremd. Ebenso die Akribie, mit welcher gearbeitet werden müsse, um prozesssicher zu sein. "Das ist dann auch ein Stück weit ernüchternd."

Da ist er froh, wenn er wieder raus darf aus dem Rathaus, einem Jubilar zu gratulieren oder ein Neugeborenes begrüßen. "Das sind meine Lieblingstermine", auch wenn er fast jedes Mal gefragt würde, ob er denn in wenigen Monaten einen Krippenplatz zusichern könne. Aktuell fehlen Kinderbetreuungsplätze, wo neue entstehen könnten, weiß er selbst nicht. Er versucht, eine Baustelle nach der anderen anzugehen: Im Oktober eine Sondersitzung zur Ortsmitte, im November eine zur Grundschulsanierung. Zwischendurch das Kult-Art wiederbeleben und mit den Barmherzigen Schwestern eine Pachtverlängerung für die Sanatoriumswiese klar machen. "Meine beiden Kinder haben sich schon beschwert", sagt Haux. Er sei kaum noch zu Hause. Das Wochenende versucht er sich jetzt frei zu halten. Und um 19 Uhr wird unter der Woche mit der Familie gegessen.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2019
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