Süddeutsche Zeitung

Reise:Bürgermeister verschafft verzweifelten Urlaubern über Weihnachten neue Papiere

Einer Kraillinger Familie werden in Kolumbien die Pässe geklaut - sie erwischt zu ihrem großen Glück Bürgermeister Rudolph Haux an Heiligabend am Handy.

Von Christoph Koopmann

Es wäre auch ohne Zwischenfälle ein außergewöhnliches Weihnachtsfest für Familie Schreiner geworden. Denn sie wollte nicht daheim in Krailling feiern, sondern zum ersten Mal über 9000 Kilometer entfernt in Kolumbien. Dort lebt Christina Schreiners Vater, den sie, ihr Mann Florian und ihre drei Kinder besuchen wollten. Doch der 23. Dezember brachte die Urlaubspläne der Familie durcheinander: Unbekannte stahlen ihnen eine Tasche - darin waren unter anderem die Reisepässe der deutschen Urlauber. Erst ein ungewöhnlicher Einsatz der Kraillinger Gemeindeverwaltung, die den kuriosen Vorfall jetzt berichtete, ermöglichte den Schreiners, am 3. Januar wie geplant zurück nach Deutschland zu fliegen.

An Weihnachten noch waren die Schreiners völlig verzweifelt: Ohne Reisedokumente wird in Kolumbien niemand in ein Flugzeug quer über den Atlantik gelassen. Sie hätten die Tasche nach dem Einkaufen nur zwei Minuten unbeobachtet am Auto stehen lassen, schon sei sie weg gewesen, erzählt Florian Schreiner.

Zuerst meldeten sie den Diebstahl der kolumbianischen Polizei. Dann riefen sie in der deutschen Botschaft in der Hauptstadt Bogotá an, um zu fragen, ob man ihnen neue Dokumente ausstellen könnte. Grundsätzlich ist das kein Problem. Doch die Auslandsvertretungen benötigen dafür eine beglaubigte Kopie der Meldebescheinigung von der Heimatgemeinde. Das ließ die Familie noch mehr verzweifeln. Ein Rathaus, das über Weihnachten geöffnet ist?

Hoffnung fanden die Schreiners dann im Internet: Dort stießen sie auf die Handynummer von Bürgermeister Rudolph Haux (FDP). Am 24. Dezember riefen sie gegen 2 Uhr nachts Ortszeit an, in Krailling war es da aufgrund der Zeitverschiebung schon 8 Uhr morgens. Und tatsächlich, der Bürgermeister hebt an Heiligabend persönlich ab. "Wenn an Weihnachten das Diensttelefon klingelt, ist es auf jeden Fall dringend", sagt Haux rückblickend. Der Bürgermeister konnte helfen: Er versprach, dass eine Mitarbeiterin der Gemeinde am 27. Dezember ihren Urlaub unterbrechen und ins Büro kommen würde. Sie schickte die Kopien dann per E-Mail an die Botschaft in Kolumbien. "Es war eine super Sache, dass der Bürgermeister ans Handy gegangen ist und uns so weitergeholfen hat", sagt Florian Schreiner.

Doch jetzt mussten die Urlauber erst einmal in die Hauptstadt kommen. Ohne Ausweispapiere wird es schon innerhalb Kolumbiens schwierig - in dem jahrelang von bewaffneten Konflikten geplagten Land kontrollieren Militär und Polizei an zahlreichen Checkpoints Fahrzeuginsassen. "Man muss jederzeit seine Pässe dabeihaben, sonst kann es duster ausschauen", sagt Florian Schreiner. Glücklicherweise hatten sie noch Kopien der Ausweise, die nicht gestohlen worden waren und an den Straßenkontrollen akzeptiert wurden.

Doch da war noch eine Schwierigkeit: Zwar liegt die Stadt Villavicencio, in der die Schreiners Urlaub machten, nur etwa 85 Kilometer Luftlinie von der Hauptstadt Bogotá entfernt. Aber der Weg führt durch ein Gebirge. Mit dem Auto brauchte Familie Schreiner für die Tour fünf Stunden über meist einspurige Straßen in schlechtem Zustand. "Das war abenteuerlich", sagt Florian Schreiner. Ein Erlebnis, auf das er gerne verzichtet hätte. Doch auch das ging gut.

Die Familie übernachtete im Hotel und stand am 30. Dezember, dem letzten Öffnungstag des Konsulats im Jahr 2019, um 8 Uhr an der Tür der deutschen Botschaft.

Dort bekamen alle fünf Urlauber schließlich ihre neuen Dokumente ausgehändigt. Der Rückflug war gesichert. Seinen 44. Geburtstag am 4. Januar verbrachte der Familienvater dann fast komplett im Flugzeug. Aber das sei vorher schon so geplant gewesen, sagt Florian Schreiner.

"An dieses Weihnachtsfest werden wir uns noch lange erinnern", sagt er. "Die schnelle Hilfe aus dem Rathaus zwischen den Feiertagen hat uns gerettet." Zur Passstelle im Rathaus muss die Familie nun trotzdem - um wieder reguläre Reisepässe zu erhalten.

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Quelle:
SZ vom 10.01.2020
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