Süddeutsche Zeitung

Krailling:Nach Großeinsatz in Asylunterkunft: LKA ermittelt gegen Polizisten

Eine 73-jährige Bewohnerin hat sich den Arm gebrochen, nachdem die Kontrolle eskalierte. Nun liegt eine Strafanzeige vor.

Von Michael Berzl

Nach dem Großeinsatz der Polizei in der Asylbewerberunterkunft in Krailling vor zwei Wochen hat das Landeskriminalamt (LKA) Ermittlungen gegen daran beteiligte Beamte aufgenommen. Es liege eine Strafanzeige wegen des Verdachts einer Körperverletzung im Amt vor, teilte LKA-Sprecher Christian Sugar mit. Dabei geht es um einen Vorfall nach einer morgendlichen Razzia in dem Containerkomplex am Ortsrand. Bei einem Gerangel hat eine 73-jährige Bewohnerin einen offenen Armbruch und Verletzungen im Gesicht erlitten, wie ein 77-jähriger Zeuge aus dem Helferkreis berichtet. Die Frau sei nach seiner Schilderung von einem Polizisten weggeschleudert worden. Diesen Vorfall will die Grünen-Landtagsabgeordnete Anne Franke aus Stockdorf an diesem Donnerstag im Landtag in einer Anfrage zur Sprache bringen.

Das erste Kommando war in der Unterkunft auf der sogenannten Sanatoriumswiese in den frühen Morgenstunden angerückt, um Räume zu durchsuchen und Personalien zu überprüfen. Dieser Einsatz verlief offenbar noch friedlich. Eskaliert ist die Situation später, als sich ein 18-jähriger Bewohner bei Heimleitung und Sicherheitsdienst beschwerte, die sich offenbar bedroht fühlten und die Polizei in Planegg alarmierten. Als die Beamten den jungen Mann festnahmen, kam es zu einer Rangelei, in die sich auch seine Schwester und seine Mutter einmischten. Die 73-Jährige, die verletzt wurde, musste mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht werden, wurde stationär behandelt, mittlerweile aber wieder entlassen, ist vom Helferkreis zu erfahren.

Über die weiteren Geschehnisse im Zusammenhang mit der Festnahme gibt es unterschiedliche Schilderungen. Nach Angaben der Polizei haben sich neun Männer mit dem 18-Jährigen solidarisiert, mit Steinen und Flaschen geworfen; ein Streifenwagen sei dabei leicht beschädigt worden. Zeugen hingegen erzählen, dass nur eine junge Frau etwas geworfen habe und Mitbewohner versucht hätten, sie zurückzuhalten. Der Festgenommene wurde in dem Tumult in einem Streifenwagen zur Wache gebracht, gleichzeitig wurde Verstärkung angefordert. Kurz darauf umstellten Beamte einer Hundertschaft und des Unterstützungskommandos die Containersiedlung. Der Bayerische Flüchtlingsrat nahm die Vorkommnisse zum Anlass für einen Appell an das Innenministerium, "endlich geeignete Maßnahmen zu treffen, um solche Eskalationen zu vermeiden".

Bei dem Einsatz, der bis in den Nachmittag andauerte, wurden die Handys mehrerer Bewohner beschlagnahmt, berichtet Sonia Welski-Preißer, die den Helferkreis koordiniert. Filmaufnahmen auf den Mobiltelefonen könnten wichtige Beweismittel sein, wenn darauf zu sehen ist, was bei der Festnahme und danach geschehen ist. Bei den internen Ermittlungen des LKA werden außerdem Polizisten und Zeugen vernommen, berichtete Sprecher Sugar. Die Ergebnisse der Untersuchungen würden dann der Staatsanwaltschaft zugeleitet. Auch Helferkreis-Koordinatorin Welski-Preißer hat nach eigenen Angaben einen Anruf einer LKA-Ermittlerin erhalten.

Unterdessen organisiert sich der Helferkreis juristischen Beistand. Anwälte einschlägig erfahrener Kanzleien wurden eingeschaltet, die nun die Interessen des 18-Jährigen, der in Untersuchungshaft sitzt, seiner verletzten Mutter und von neun jungen Männern zu vertreten, die vorübergehend festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt wurden.

Die Familie, die bei dem Vorfall vor zwei Wochen eine zentrale Rolle gespielt hat, soll verlegt werden. "Aufgrund einer massiven Störung des Hausfriedens im Juni" habe die Regierung von Oberbayern das Nutzungsverhältnis mit dem anerkannten Bleibeberechtigten in der Gemeinschaftsunterkunft beendet, teilte ein Sprecher mit. Damit ist der verhaftete Sohn gemeint. Zur Vermeidung der Obdachlosigkeit werde er mit seiner Familie in einer anderen Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis untergebracht. "Diese Familie ist wirklich gebeutelt", kommentiert Welski-Preißer. Der Vater sei bei der Flucht übers Mittelmeer nie in Griechenland angekommen, jetzt ist die Mutter verletzt und ein Sohn in Haft.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2019
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