Kraillinger Asylunterkunft:Eskalierter Polizeieinsatz: Flüchtling aus Haft entlassen

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach dem Vorfall gegen den jungen Afghanen und gegen einen Polizisten. Helfer verteidigen die Bewohner.

Von Carolin Fries

Nach zweieinhalb Wochen in Untersuchungshaft ist der 18 Jahre alte Afghane, der bei einem Polizeieinsatz in der Kraillinger Flüchtlingsunterkunft vor drei Wochen Polizisten angegriffen haben soll, wieder auf freiem Fuß. Er muss sich allerdings regelmäßig bei der Polizei melden. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I wegen Bedrohung, Beleidigung, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und vorsätzlicher Körperverletzung. Der junge Mann, der in der Kraillinger Container-Siedlung als anerkannter Bleibeberechtigter mit seiner Mutter und zwei Geschwistern wohnte und im Ort arbeitet, ist bereits in eine andere Unterkunft umgezogen. "Die Regierung hat das Nutzungsverhältnis . . . beendet", schreibt Regierungssprecherin Verena Gros.

In den Augen des Flüchtlingshelfers Wolfgang Neidhard ist die afghanische Familie damit bereits unverhältnismäßig gestraft. Denn bei dem Polizeieinsatz sei nicht nur der junge Mann, sondern auch seine Mutter äußerst grob behandelt worden. Die 73-Jährige wurde so schwer verletzt, dass sie mit einem offenen Bruch im Krankenhaus behandelt werden musste. Der Wörthseer sagt: "Die Familie muss wieder ins rechte Licht gerückt werden." Es handele sich keineswegs um aggressive oder gar kriminelle Leute.

Ursache der Auseinandersetzung war eine Personenkontrolle am frühen Morgen gewesen. Das Polizeipräsidium München hatte diese der Regierung von Oberbayern angekündigt, die Bewohner wussten nicht Bescheid. Sie wurden von der Begehung zum Teil im Schlaf überrascht, es fand dort in den vergangenen zwei Jahren keine vergleichbare Aktion statt. Als der Einsatz schon beendet war, verständigte der Hausmeister die örtliche Polizei. Über die Hintergründe herrscht Unklarheit. Einer der Bewohner sei aggressiv geworden, sagte damals der Polizeisprecher. Augenzeugen des Helferkreises, die sich im gegenüberliegenden Bürgerhaus Hubertus zu einer Besprechung treffen wollten, berichten, die Polizisten hätten den jungen Mann grob zurückgeschubst. In der Folge eskalierte die Situation. Mehr als hundert Beamte wurden zur Unterstützung alarmiert, darunter auch das Unterstützungskommando (USK). Sie beschlagnahmten die Mobiltelefone von insgesamt neun Bewohnern. Diese hatten den Polizeieinsatz gefilmt.

Sonia Welski-Preisser nennt es "ein großes Glück", dass unbeteiligte Helfer an Ort und Stelle waren. "Den Bewohnern hätte kein Mensch geglaubt." Sie berichtet von Videoaufnahmen, die die Polizei nicht beschlagnahmt hat. Diese würden eindeutig belegen, dass nicht von mehreren Personen Flaschen und Steine geworfen wurden, wie im Polizeibericht beschrieben. "Ich kann meine Hand ins Feuer legen für die Bewohner", sagt sie. Ein Anwalt sei eingeschaltet. Der Hausmeister ist seit jenem Tag krankgeschrieben. Die Zahl der Security-Mitarbeiter war von der Regierung zwischenzeitlich von zwei auf drei Mitarbeiter erhöht und der Dienst auf die Nachtstunden ausgeweitet worden. Inzwischen sind es wieder zwei, die Bewachung rund um die Uhr wird laut Regierungssprecherin aber bis auf weiteres fortgeführt.

Losgelöst von dem Verfahren gegen den Afghanen ermittelt die Staatsanwaltschaft München II gegen Unbekannt wegen Körperverletzung. Der unbekannte Täter soll ein Polizeibeamter sein. Während in dem Verfahren gegen den Afghanen laut Pressesprecher keinerlei Beweismittel erfasst sind, werden in diesem Verfahren die Videos und Bilder ausgewertet. "Was mit den Handys und dem Bildmaterial künftig geschehen wird, kann derzeit nicht gesagt werden", sagt Andrea Mayer von der Staatsanwaltschaft München II. Laut Sonia Welski-Preisser benötigen die Bewohner aus Krailling diese schnellstmöglich zurück. "Die haben alle Termine, auch Prüfungen." Die Telefone seien ihnen Lernhilfen und ein wichtiger Draht in die Außenwelt. Ebenso wichtig seien Sozialwohnungen für die anerkannten Familien. "Wir haben leider keine freien Wohnungen", sagt Kraillings Bürgermeister Rudolph Haux. Er hat zur Klärung der Vorgänge einen runden Tisch mit der Polizei und dem Helferkreis vorgeschlagen - "leider hat der noch nicht stattgefunden".

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