Süddeutsche Zeitung

Kostenloser Online-Audioguide:Mit dem Chef durchs Buchheim-Museum

Daniel J. Schreiber nutzt die Corona-Schließung, um bedeutende Gemälde der Ausstellung und die Künstler persönlich vorzustellen.

Von Katja Sebald, Bernried

Nichts ist so schlimm, dass es nicht auch für etwas gut ist: Während der Ausstellungsbetrieb im Bernrieder Buchheim Museum zum Erliegen gekommen ist, findet Museumsdirektor Direktor Daniel J. Schreiber Zeit, nach und nach die Bilder der Sammlung als Audio-Guides zu beschreiben, die man auf der Website des Museums abrufen kann. Kurze Texte zu vier berühmten Exponaten sind bereits online. Auch wenn die virtuellen Besucher das jeweilige Bild derzeit nicht im Original sehen können, kommen sie doch sozusagen "exklusiv" in den Genuss der im kunsthistorischen Plauderton gehaltenen Erklärungen des Hausherrn - der auch mal verrät, was ihn persönlich an einem Gemälde so fasziniert, dass es ihn "immer wieder packt". Freilich müssen wohl auch in Bernried mit solchen Online-Angeboten erst noch Erfahrungen gesammelt werden: Wünschenswert wäre etwa ein Film, der Details des jeweiligen Bildes zeigt oder zumindest eine Zoomfunktion, denn sonst kann der Betrachter vor dem Bildschirm manche Beschreibung gar nicht nachvollziehen.

Zu den Bildern, die Schreiber bislang vorgestellt hat, gehört der "Tanzende Derwisch", den Lovis Corinth 1904 malte. Der Museumsdirektor erläutert an diesem Bild die Technik der Alla-prima-Malerei: "Der Künstler hat die Farbe, wie sie aus der Tube kommt, auf die Leinwand geschleudert und das Bild in einem Zug gemalt - ohne Vorzeichnung." Weiter berichtet er, dass Buchheim sich in das Bild förmlich "verliebt" hatte, lange bevor er es 1986 erwerben konnte: Er hatte es in den Zwanzigerjahren in einer Ausstellung in Chemnitz gesehen. Für Schreiber steht der Derwisch auch für Corinths Hinwendung zum Expressionismus, für die "Suche nach Ausdrucksformen in den Motiven und in der Malerei".

Das 1910 während eines Sommeraufenthalt in Dangast entstandene Gemälde "Der schlafende Pechstein" von Erich Heckel, das in den Siebzigerjahren eine Fünfzig-Pfennig-Briefmarke zierte, ist nicht nur eins der berühmtesten Bilder der Sammlung Buchheim, für Schreiber markiert es mit seinen kräftigen Farben und starken Kontrasten auch den "Höhepunkt der Entwicklung des Brücke-Stils". Er schwärmt: "Wir meinen die flirrige Sommerhitze zu sehen, im Boden, in dem roten Hemd und in dem glühend roten Kopf. Und wir stellen uns natürlich vor, was für hitzige Sommerträume der junge Mann da hat."

Ernst Ludwig Kirchners "Waldspaziergang" ist für Schreiber wegen der für das Jahr 1913 höchst ungewöhnlichen "ganz spontanen Malgesten" fast so etwas wie "der Ursprung des Action Painting". Er erläutert: "Hier erkennen wir, was für eine wahnsinnig wichtige Stellung Kirchner in der Kunstgeschichte hat." Das Bild zeige "zwei Damen von Welt", vermutlich in einem Berliner Park: "Sie sind umwuchert von der Vegetation, gehen aber auf einem sicheren Weg und haben auch Kleidung an, wie man sie in der Stadt trägt." Was das Bild so besonders mache, finde an seinen Rändern statt, erklärt Schreiber: "Schauen Sie mal rechts nach unten, hier läuft die Farbe runter, so feucht ist sie aufgetragen. Kirchner hat die Ölfarbe mit Benzin verdünnt. Sie trieft runter, wie wir das sonst nur bei Wasserfarben kennen." Und weiter oben: "Wenn wir hinschauen, sehen wir, er hat hier seinen Pinsel genommen und einmal kräftig ausgeschüttelt über dem Gemälde." Schreiber stellt das Gemälde auch den Bildern des zeitgenössischen Malers Bernd Zimmer gegenüber, der sich auf Kirchner bezieht.

Emil Noldes "Araber" gehört ebenfalls zu den bekanntesten Bildern der Sammlung. Schreiber sagt: "Das ist natürlich eine ganz tolle Komposition, die mit starken Kontrasten arbeitet." Wie diese Kontraste zustande kommen, beschreibt er zunächst anhand des Bildhintergrunds, der von Schwarz über Grün zu Blau aufsteigt. Dann geht er auf den Dargestellten ein: "Ein schwarzes Gesicht, das natürlich in vielen Farben auch noch schimmert: grün, rot, orange, blau, weiß." Gewand und Mütze, ebenfalls in Orange, komplettieren den Farbklang. "1920 ist das Bild entstanden, jedoch nach Eindrücken, die Nolde bereits 1914 erfahren hat." Zur Entstehung erläutert er, dass Nolde den Araber auf dem Rückweg von einer medizinisch-wissenschaftlichen Expedition in Ägypten gesehen habe.

Nolde gehörte wie Pechstein zu den ganz wenigen deutschen Expressionisten, die auf den Spuren von Gauguin in die Südsee gereist waren, um dort "eine ursprüngliche und reine Kultur im Einklang mit der Natur" zu finden. "Die anderen haben ihre Südsee an den Moritzburger Teichen bei Dresden gefunden, oder auch hier, an den bayerischen Seen."

Hier geht es zu den Audio-Guides des Museums

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SZ vom 25.04.2020
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