Konzertkritik:Höchstpräzise und eindringlich

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Eine Ehepaar, das auch gemeinsame Klavier spielt: Das Duo Gülru Ensari, Herbert Schuch traten im Haus der Landwirtschaft in Herrsching auf. (Foto: Arlet Ulfers)

Die beiden Klaviervirtuosen Gülru Ensari und Herbert Schuch meistern nicht nur schwierige Stücke von Hindemith und Brahms, sondern vermitteln das Schicksalhafte in der Musik mit enormer Spannung und Expressivität

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Die meisten Klavierduos werden am Flügel gegründet. Gülru Ensari und Herbert Schuch taten es offenbar 2014 in Istanbul vor dem Traualtar. Diese Konsequenz und leidenschaftliche Hingabe ist denn auch geradezu ein Sinnbild für die Spielweise des Duos. Die Türkin und der aus Rumänien stammende Deutsche offenbarten im gut besuchten Haus der bayerischen Landwirtschaft in Herrsching auch eine deutliche Übereinstimmung im Temperament, zumindest musikalisch gesehen. Dies gilt selbst unter dem Aspekt spieltechnischer Differenzierung. Einzig in der Ausprägung des Ausdrucks zeigte sich Schuch in seiner gewohnten Art extrovertierter, in seinem intensiven Engagement höchst präzise und eindringlich.

Ensari agierte eleganter, von den Bewegungsabläufen her geschmeidiger. Nichtsdestotrotz erreichte das Duo eine tiefgreifende Homogenität, die ihm erlaubte, die Walzer zu Beginn des Programms überaus plastisch, mit weitläufiger Dynamik und mit einem reichen Rubato zu gestalten. Dass Schuch und Ensari dabei die Walzer Brahmsens op. 39 und den Zyklus der acht Walzer op. 6 "Drei wunderschöne Mädchen im Schwarzwald" von Hindemith durchmischten, intensivierte die Aufmerksamkeit des Publikums, brachte aber für die beiden Klaviervirtuosen eine zusätzliche Herausforderung mit sich: Die Wendigkeit, die unterschiedliche musikalisch-harmonische Logik auf einen Nenner zu bringen. Die ersten Walzer aus diesem frühen Zyklus des zwanzigjährigen Hindemith zeigten nicht zuletzt aufgrund ihrer Nähe zu Max Reger und der zunächst sparsamen spätromantischen Harmonik durchaus eine Verwandtschaft mit Brahms. Zunehmend befreite sich der Komponist von der Tonalität und gab dem Klavierduo schon recht komplexe Aufgaben auf. Dass es sie mit Bravour bewältigte, lag vor allem an der Schlüssigkeit der Interpretationen, die im Ensembledenken und -empfinden einem dichten dramaturgischen Bogen zu folgen vermochten.

Dies stand vor allem bei Schubert auf dem Prüfstand und bestand die Prüfung mit Auszeichnung. Schuberts Fantasie f-Moll, die wenige Monate vor dem Tod des Komponisten entstand, gehört zweifelsohne zu den meist bewegenden und aufwühlenden Werken der Klavierliteratur. Und das Duo Ensari und Schuch verstand es, das Schicksalhafte in der Musik mit enormer Spannung und Expressivität zu vermitteln. Der Kontrast zwischen der entkräfteten Empfindsamkeit, ja resignierter Selbstaufgabe und dem verzweifelt-dramatischen Sich-Dagegen-Stemmen hatte geradezu etwas Erschütterndes, bisweilen Verstörendes. Ähnliches galt beim Allegro a-Moll "Lebensstürme", das kurz darauf entstanden ist. Und dachte man hier an die Sonate D-Dur KV 381 von Mozart zurück mit ihrer Bandbreite von empfindsamen Melancholie bis zur spritzigen Leichtigkeit mit filigranem Wirbelwerk, umso bewusster nahm man die weite Strecke wahr, um die sich Schubert bis zu seinem Spätwerk entfernt hatte. Bei diesem aufwühlenden Allegro mit seiner akkordischen Tektonik, auf der anderer Seite seinen choralartig betenden Rücknahmen, tauchte das Duo Ensari und Schuch seelentief in die pianistische Substanz ein und errichtete geradezu ein musikalisches Monument.

Was nach frenetischem Applaus folgte, war kein Ausklang im üblichen Sinne der Zugaben. Das Werk aus "Two Anatolian Tunes" des vielfach mit internationalen Preisen ausgezeichneten türkischen Komponisten Özkan Manav (geb. 1967), das er dem Duo Ensari und Schuch widmete, ist eine Art Paraphrase über ein anatolisches Lied.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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