Süddeutsche Zeitung

Konzertabend in Schondorf:Auf dem Weg nach oben

Clara Isabella Siegle stellt bei der "Ammerseerenade" unter Beweis, dass sie den hohen Erwartungen an junge Musiker gewachsen ist. Die 21 Jahre alte Pianistin glänzt in der "Happy Classic Hour" ebenso wie das Schlagwerker-Duo "Art2Beat"

Von Reinhard Palmer, Schondorf

Die "Happy Classic Hour" hat sich die "Ammerseerenade" als Marke rechtlich schützen lassen, um ein unverwechselbares Format für sogenannte Rising Stars im Programm zu haben. Weiterhin gehört es zum guten Ton unter den Veranstaltern, sich die Förderung junger Begabungen auf die Fahnen zu schreiben. Eine ehrenvolle Bemühung, keine Frage. Es suggeriert allerdings den jungen Musikern, sie müssten am Instrument beziehungsweise in ihrem Gesang nur gut genug sein, dann kämen sie gut voran.

Tatsächlich gilt: Ist ein gewisses Alter erreicht, entfallen auf einen Schlag alle Möglichkeiten, Preise, Stipendien und Förderungen zu erringen. Ein Bruch, über den nur starke Persönlichkeiten hinwegkommen, die es zudem verstehen, sich selbst zu vermarkten. Wem so etwas nicht liegt, sollte bis zu dem Zeitpunkt eine gute Agentur für sich interessiert und für ausreichend Bekanntheit gesorgt haben, um nicht selbst "hausieren" gehen zu müssen. Das ist ein sportlicher Anspruch, der die jungen Künstler unter einen enormen Leistungsdruck setzt.

Die vielfach preisgekrönte irisch-deutsche Klavierstudentin mit Bachelor-Diplom, Clara Isabella Siegle, machte im Landheim Schondorf einen reichlich toughen Eindruck, ihren Weg gehen zu können. Mit ihren erst 21 Jahren und auf dem Sprung nach London, um ihr Studium an der Royal Academy of Music fortzusetzen, strahlte sie schon eine Sicherheit und Entschiedenheit aus, wie sie auch für die künstlerische Überzeugungskraft nötig sind. Siegles klare Vorstellung verlieh der Interpretation der c-Moll Sonate D. 958 von Franz Schubert eine entschiedene Form, obgleich sie doch voller Wendungen und Stimmungswechsel ist, die das Spätestwerk des Komponisten, wenige Monate vor dessen Tod, ausmachen. Sich in so jungen Jahren vorstellen zu können, was in einem einunddreißigjährigen Menschen im Angesicht des Todes vorgeht, wäre zu viel verlangt. In der Interpretation Siegles fehlte es zwar nicht an Emotionen, doch Verzweiflung, Resignation, flehentliches Hoffen, sehnsuchtsvolles Erinnern und vieles mehr, das Schubert auf subtilste Weise mit seinen letzten drei Sonaten ausdrückte, ist keine Kopfangelegenheit. Es ist schon eine absolute Hingabe nötig, um zumindest annähernd den Schmerz und die innere Beklommenheit des Komponisten nachempfinden zu können. Dennoch gelang es Siegle, die Wendungen zwischen etwa dramatischen Akkord-Passagen, sanglicher Schönmelodik, tiefer Traurigkeit oder verschatteter Lyrik souverän umzusetzen. Bisweilen fanden sich schon Ansätze des feinsinnigen Changierens zwischen den wirren Emotionen des Komponisten. Dies unterschied die Sonate daher deutlich von der "Aufforderung zum Tanz" von Carl Maria von Weber, die Siegle im Anschluss zur Aufheiterung virtuos und schwungvoll nachsetzte. Es war zur Überleitung zum nächsten Programmpunkt hilfreich, lag dieser doch in einer gänzlich anderen Ausdruckswelt.

Das Duo "Art2Beat" der Schlagwerker Cristina Lehaci, geboren 1993 in Oradea (Rumänien), und Moritz Knapp, geboren 1989 in Duisburg, fand in der Schlagzeugklasse der Münchner Musikhochschule des Ägypters Adel Shalaby zusammen. Eine Konstellation, in der eine vielfältig-interkulturelle Auseinandersetzung mit Rhythmen, Klängen, Geräuschen und kulturellen Eigenheiten nahezu zwingend notwendig ist. Gerade in einem so ursprünglichen Genre ist das gegenseitige Sich-Befruchten eine förderliche Grundlage. Nachdem der Schwerpunkt hier auf Werken mit Marimba lag, konnten die beiden musikcharakterlich deutlich verschiedenen Musiker auch ihr Gespür für melodische Entwicklungen sowie für motivisch-thematische Arbeit unter Beweis stellen. Gerade in "Lost Dance" des Japaners Daiko Kato vermochte das Duo auf überaus homogene Weise die vielfältigen Konstellationen klangschön umsetzen.

Afrikanische Färbungen in "Ghanaia" von Matthias Schmitt verzauberten mit exotischen Färbungen und Geräuschen von Perkussionsinstrumenten. Orientalische Atmosphäre mit ägyptischen Darbukas gab es mit "Rosebush" von Brett Paschal, vor allem im tremollierenden Marimba-Part. Das mitreißende Finale galt einem imposanten, trommellastigen Schlagzeugset und dem Werk "Gyro" des israelischen Perkussionisten Tomer Yariv. Eine beeindruckende Vorführung der Einheit aus Körper, Bewegung, Rhythmus und Klang, die begeisterte und nach einer Zugabe verlangte.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2021
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