Konzert:Zurück zu den Wurzeln

Konzert: Beeindruckend: der von Max Frey geleitete Chor der Musica Starnberg beim Auftritt in St. Maria.

Beeindruckend: der von Max Frey geleitete Chor der Musica Starnberg beim Auftritt in St. Maria.

(Foto: Arlet Ulfers)

Max Frey, der Gründer der heutigen Musica Starnberg, führt mit Chor und Orchester ein selten zu hörendes Vokalwerk von Tomás Luis de Victoria und Carl Nielsens Kleine Suite auf

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Ein Jahr vor dem 50. Jubiläum kehrte der Meister vertretungsweise ans Pult zurück. 1970 hatte Max Frey den Starnberger Musikkreis gegründet, der heute als Musica Starnberg unter der Leitung von Ulli Schäfer immer wieder mit großen Werken die Stadtpfarrkirche St. Maria zu füllen vermag. Als Frey nach 30 Jahren Leitung den Stab an Schäfer übergab, blieb der Kontakt dennoch eng, beschränkte sich aber vor allem auf Freys Tastenkünste im Basso Continuo, auf Orgeleinlagen oder Assistenz im Hintergrund. Nun gab es wieder eine Einstudierung mit Konzertdirigat von Frey, wobei der Chor in dem Passionskonzert a cappella auftrat, gefolgt von reinen Orchesterwerken.

Zwischendurch immer wieder einzeln aufzutreten, ist zweifelsohne wichtig für die Entwicklung der beiden Ensembles. Frey nutzte auch die Chance, ein von den gestalterischen Mitteln her möglichst reichhaltiges Programm einzustudieren, ohne die Musiker zu überfordern. Der Rückgriff aufs Jahr 1583 war eine Rückkehr in die Glanzzeit des A-cappella-Gesangs, in dem Fall des Spaniers Tomás Luis de Victoria. Wer jemals die von mittelalterlichen Mauern umgebene Stadt Ávila besucht und die ehrwürdige Kathedrale betreten hat, konnte im Konzert ermessen, welche Ehrfurcht einflößenden Eindrücke den werdenden Komponisten prägten, bevor er in Rom die Nachfolge von Palestrina antrat, während in seiner Heimatstadt die Karmelitin, Mystikerin, Kirchenlehrerin und nachmalige Heilige der katholischen Kirche, Teresa von Àvila, ihre letzten Jahre verlebte. Tatsächlich entstand das vierstimmige Requiem wenige Monate nach dem Tod der Mystikerin, allerdings ohne dass ein Zusammenhang nachweisbar wäre. Die Vokalpolyphonie von de Victoria ist von betörender Klangschönheit geprägt.

Frey vermochte am Pult auch eine wunderbare Homogenität herzustellen und den Stimmenmix sorgfältig auszutarieren. Mystische Atmosphäre breitete sich aus, die dem Chorsatz magische Kraft gab. Vor allem aber bestach die Komposition mit einer stringenten Dramaturgie, die Frey minutiös aus dem Text heraus erspürte.

Auch wenn de Victoria heute selten zu hören ist - Mendelssohn kannte seine Musik sehr wohl. Und er verstand es, dessen Vokalpolyphonie in die klassisch-romantische Zeit hinüberzuretten. Mendelssohns Psalm 22, "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen", erklang als expressive Auslegung des Textes, die mit Chor- und Solostimmen reichlich Kombinationsmöglichkeiten hatte, um auch tradierten Vorbildern - etwa Antiphon mit solistischen Vorsängern - gerecht zu werden. Etwas ungewöhnlich für Mendelssohn, doch der Preußenkönig wollte einen "guten, echten Chorgesang hören, d.h. gregorianischen, mit Compositionen im Kirchenstile, alten und neuen", als er den Auftrag vergab. Mendelssohn erfüllte die engen Vorgaben exakt.

Was gestalterisch für den Chor galt, sollte dem Orchester nicht verwehrt bleiben. Auch in dem Teil legte Max Frey höchste Sorgfalt in die dynamische Stimmenbalance, über die sich in Bachs Konzert d-Moll BWV 1060 die Solostimmen der Violine (Angelika Besch) und Oboe (Irene Draxinger) nur hauchdünn erhoben und in einen dicht verwobenen Dialog traten, lyrische Höhenflüge der Solistinnen inklusive. Eine Überraschung im Programm war Carl Nielsens Kleine Suite a-Moll op. 1, zugleich der erste große Erfolg des dänischen Komponisten und Dirigenten. Die geheimnisvolle Ambivalenz zwischen düsterer Spannung und verhaltener Heiterkeit der Danaiden stand in Freys Interpretation einem elegisch erhobenen "Tanz der Chariten" mit schillerndem Streicherklang gegenüber. Auch "Die Bacchusprozession" spielte sich in vielschichtigen Szenen ab. Der lang anhaltende, begeisterte Applaus bestätigte, dass die Qualitäten auch beim Publikum angekommen waren.

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