Süddeutsche Zeitung

Konzert:Yoga für alle

Zum Abschluss der Andechser Musikwoche bringt die Kultband "La Brass Banda" die 1000 Zuhörer im Florianstadl mit Hits und hastig erzählten Geschichten zum Mitsingen und Jubeln

Von Blanche Mamer, Andechs

Liegt es am Ort oder an der Ankündigung zur Andechser Musikwoche, dass La Brass Banda "Trachten-Techno" spielen? Jedenfalls haben weit über die Hälfte der etwa tausend Besucher am Samstag im Florianstadl von Kloster Andechs die besten Dirndl oder Lederhosen angelegt. Und warme Strickjoppen, denn draußen fällt Schneeregen. Drinnen wird es indes bald sehr, sehr warm. Das beginnt schon bei Joe Traxler und Band, der im Vorprogramm auf die Blasmusiker aus Übersee am Chiemsee einstimmt und sich mehrfach bei ihnen bedankt, da sie ihn wohl als Geheimtipp empfohlen haben. Damit könnten sie Recht haben. Er könnte als kleiner Bruder von Jeff Buckley durchgehen, allein schon wegen seiner Stimme und auch, weil er so ein ähnlicher Typ ist. Traxler könnte bald schon seinen eigenen Abend haben.

Doch alle harren auf die legendären Bläser, die traditionelle bayerische Blasmusik mit Jazz, Hip-Hop und Funk mischen und mittlerweile mehr im Ausland auf Tour sind. Schon als die Beleuchtung auf der Bühne mit der Sonne im Logo der "Around the world"-Tournee erstrahlt, brandet Applaus auf, und es hält die Mädels in Dirndln und Kränzen im Haar im Sitzbereich unter der Empore nicht mehr auf den Stühlen. "Schön, wieder in Bayern zu sein", sagt Frontmann und Bandgründer Stefan "Sepp" Dettl. Es sei nach längerer Zeit wieder das erste Konzert in Bayern, und dann noch hier, wo es "so ein hervorragendes Bier" gebe. Als echter Bayer sei das allein schon Grund genug, dem Kloster Andechs einen Besuch abzustatten.

Dettl, im gestreiften Matrosen T-Shirt zur Lederhose, erzählt von den Tourneen in Brasilien, Australien und seiner früheren Sorge, nicht verstanden zu werden. Das Problem haben indes nicht nur die Menschen in Amerika, Japan oder Australien, das haben sogar manche Münchner, denn er redet so schnell und rasselt seine Geschichtchen runter, dass man sich nur wundern kann. Wie bei den Konzerten in Übersee beginnt er mit "Uje Mama", ein mitreißendes, typisches Brassstück; das verstehen alle, egal ob in Melbourne, Rio oder Tokio, ruft Dettl und reißt zum ersten Takt die Arme hoch. Die Freude ist groß: Auch in Andechs schmettern die Fans den Refrain mit, können die Füße nicht still halten, beginnen zu schunkeln. Auf den Stehplätzen im Parkett groovt es, und das schon beim Entrée! Der Rhythmus der Bläser überträgt sich auf den ganzen Stadl, die grellen Spots, die von der Bühne blitzen, verwandeln den Raum in eine brodelnde Kulisse.

Zeit, von einem Auftritt bei einem Festival in Dänemark zu erzählen, wo das Publikum von gefühlten 22 auf 6000 hochschnellte. Der Mann ist nicht nur ein begnadeter Trompeter und Sänger, auch als Entertainer ist er ein Vollprofi, schnell, witzig, doch sehr anstrengend. Wie eine Zählmaschine rattert er seine Texte herunter. Fünf Sekunden abgelenkt und nicht hingehört - und die Geschichte ist passé.

Wie oft bei Live-Konzerten gehen die durchaus ambitionierten Texte in den schmissigen Rhythmen und der Lautstärke der Bläser unter. Man muss sie schon vorher kennen, um sie zu erahnen. Wie bei "Autobahn" zum Beispiel.

Für echte Fans ist das natürlich keine Sache. Nach lauten punkigen Stücken schafft es die Band, die Zuhörer durch ihre Soli wieder auf den Boden zurückzuholen. Wie Stefan Huber an der Tuba bei "Scheena Dog" oder bei "Yoga", wo auch Manuel Winbeck an der Posaune übernimmt.

Ach ja, die Yoga-Nummer. Das Publikum macht mit, folgt Dettl und den anderen Musikern bei den Übungen und findet das sehr erholsam. Die Geschichten zur Entstehung der Nummer variieren, doch die Musik ist gleichbleibend schön und langsam.

Mit La Brass Banda hat die Andechser Musikwoche einen außergewöhnlichen Abschluss gefunden, selten sind etwa 1000 Zuhörer knapp zwei Stunden lang im Florianstadl in einen solchen Jubel verfallen und haben so viel Spaß gehabt, selbst dann wenn es viel zu laut war und viel zu heiß auf dem Heiligen Berg.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2019
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