Süddeutsche Zeitung

Konzert:Vom Liederolymp

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Florian Prey und Wolfgang Leibnitz mit ihrem grandiosen Adieu-Programm in Gauting

Von Reinhard Palmer, Gauting

Sogar die Verkehrspolizei hat von diesen Konzerten was. Hier im hinterletzten Eck am Gautinger Stadtpark sind notgedrungen meist ein paar Fahrzeuge nicht ganz korrekt geparkt. Wenn der künstlerische Leiter des Kleinen Sommerfestivals, Florian Prey (Bariton), und sein langjähriger Klavierbegleiter Wolfgang Leibnitz in der Remise von Schloss Fußberg zu ihrer alljährlichen Lieder-Matinee antreten, sind Parkplätze ohnehin kilometerweit rar. Das eingespielte Duo ist ein bemerkenswerter Publikumsmagnet. Während andernorts Lieder auf dem Programm die Publikumsreihen lichten, erfreuen sich Prey und Leibnitz eines kontinuierlich steigenden Zulaufs.

Natürlich liegt der Erfolg in der Beliebtheit der beiden Musiker, in deren Meisterschaft und ihrem Zusammenwirken begründet. Es ist aber schon auch zum großen Teil das Verdienst des stets umfangreichen, inhaltlich fokussierten Programms, an dem Prey und Leibnitz lange feilen, bis das anvisierte Thema fesselnd und facettenreich umrissen ist. Wobei diesmal sicher die Schwierigkeit darin bestand, aus den Kandidaten eine Auswahl zu treffen. Der Titel des Konzerts lautete nämlich: "Vom Abschied und Adieu-Sagen". Und die Lyrik birgt Varianten dieser Lebenserfahrung in überbordender Fülle. Viele Gedichte zu diesem Thema wurden wohl nicht zuletzt wegen ihres emotionalen Gehalts vertont. Bedenkt man, dass jedes Gedicht, das von Fernweh, Wandern, Jahreszeitenwechsel, Liebe, Abenddämmerung und Ähnlichem handelt, auch die Komponente des Abschieds und Zurücklassens beinhaltet, lässt sich schon erahnen, aus wie vielen Vertonungen Prey und Leibnitz wählen mussten, bis der weite Bogen an Aspekten und Stimmungen feststand. Traditionsgemäß zwischendurch mit Rezitation, die sich aber als nicht weniger musikalisch erwies, zumal Prey stets nah am Liedvortrag blieb und ausdrucksstark v deklamierte. Besonders Farbenreich in Rilkes "Herbsttag".

Die herausragende Qualität dieses Duos ist zweifelsohne seine Einhelligkeit im Zugriff sowie in der erzählenden Art, die feinen Nuancen emotional zu erfassen und die inhaltlichen Spitzfindigkeiten, Pointen und ausgetüftelten Details mit packender Lebendigkeit darzustellen. Und das gilt nicht nur für die sprachliche Komponente, sondern auch für die rein musikalische. Denn Leibnitz hat mit seiner wunderbar beredsamen Feinsinnigkeit nicht weniger Nuancen des Ausdrucks zu bieten als Prey mit seiner Stimmenkolorierung.

Und noch ein Erfolgsrezept: keine Experimente, keine wenig bekannten Komponisten, keine Kompromisse in der Ästhetik, und das Ganze möglichst nicht ohne Humor. So deckte das Programm alle Größen der großzügig abgesteckten Romantik ab, beginnend mit Mendelssohn und Schubert über Schumann bis hin zu Brahms. Sozusagen der Liederolymp, in dem sich auch so manch ein Dichter von Weltruhm tummelte, etwa Goethe, Schiller, Eichendorf, Lenau, der neben Heine am häufigsten in Musik gesetzte Emanuel Geibel, der Mediziner Justinus Kerner und der durch Schuberts Vertonungen von "Die schöne Müllerin" und "Die Winterreise" verewigte Wilhelm Müller.

An diesem Vormittag lernte man aber auch Dichter kennen, die einst populär waren, heute aber weniger Beachtung finden. Etwa Karl Gottfried von Leitner aus einem österreichischen Rittergeschlecht, Gustav Pfarrius, den Jesuiten Friedrich Spee, den eher als plattdeutschen Dichter bekannten Albert Reinhold oder den Gelehrte und Politiker Gottfried Kinkel. Schumann ist es zu verdanken, dass in diesem Kreise auch die schottischen Highlands besungen wurden im lyrischen, hymnisch gesteigerten "Hochländers Abschied". Zu den bekanntesten Goethe-Vertonungen zählte Schuberts "Wanderers Nachtlied" mit den hochtrabenden Worten "Über allen Gipfeln ist Ruh".

Der Bandbreite an Autoren entsprach auch das Ausdrucks- und Stimmungsspektrum. An den Anfang und gleich nach der Pause setzte das Duo Prey und Leibnitz zwei mit Leichtigkeit rhythmisierte Goethevertonungen von Schubert ("Der Musensohn") und Schumann ("Freisinn"), die das Publikum charmant mit dem Sujet vertraut machte. Trotz des Abschiedsthemas waren getrübte Stimmungen nicht gar so häufig. Etwa in Schumanns "Abschied vom Walde" oder "Ein Wanderer" von Brahms.

Meist ging es um lyrisch-erzählerisches Fließen mit emotionalen Steigerungen, so beispielsweise sinnierend in "Soll sich der Mond nicht heller scheinen" von Brahms, in Schuberts "Sehnsucht" oder in Mendelssohns wogendem "Altdeutschen Frühlingslied". Forsche Heiterkeit gehörte vor allem den Wanderern, so in Schumanns "Wanderlied", aber auch der Aufbruchsstimmung, wenn es etwa um "Frühlingslust" ging. Ein bunter Reigen, der Spaß machte und die Zuhörer in der Remise begeisterte. Zwei Zugaben.

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Quelle:
SZ vom 12.06.2019
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