Konzert:Verblichener Glanz

Konzert: Die vier Kontrabassisten von "Bassiona Amorosa" mit Lilian Akopova am Klavier beim Gastspiel im Schlosssaal der Evangelischen Akademie Tutzing.

Die vier Kontrabassisten von "Bassiona Amorosa" mit Lilian Akopova am Klavier beim Gastspiel im Schlosssaal der Evangelischen Akademie Tutzing.

(Foto: Arlet Ulfers)

Bassiona Amorosa zehrt in Tutzing vom einstigen Ruhm und brilliert nur noch bei Solo- und Duo-Einlagen

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Bevor die vier Instrumentalistinnen der Münchner Klasse von Klaus Trumpf beim Hochschulfasching auftraten, hatte wohl noch niemand ein Streichquartett mit vier Kontrabässen gehört. Allein die Erscheinung der vier Brummer genügte wohl schon, um Lacher hervorzurufen. Doch dies sollte der Auftakt sein, um das beschmunzelte Image des Kontrabasses abzuschütteln. Die Idee des "etwas anderen Streichquartetts" - so der Werbeslogan - war geboren und mit der großartigen Pianistin Milana Chernyavska stieß noch eine ebenso einfühlsame Begleit- wie virtuose Solostimme hinzu. Bald wurde das Ensemble der Hochschulklasse mit wechselnden Besetzungen weltweit zu einem festen Begriff: Das Ensemble Bassiona Amorosa entwickelte enormen Ehrgeiz, den Kontrabass aus den hinteren Orchesterreihen, Theatergräben und Jazzlokalen ins Rampenlicht der Konzertsäle zu führen.

Trumpfs Ruf als Hochschulprofessor lockte großartige Nachwuchskontrabassisten nach München, die mit ihrem Können für unvergleichliche Musikerlebnisse sorgten. Bassiona Amorosa wurde zum Meisterensemble auf höchstem Niveau und gern gesehenen Gast bei renommiertesten Festivals und den Konzertsälen. Mit entsprechens hohen Erwartungen hatten die Musikfreunde Tutzing die aktuelle Besetzung in die Evangelische Akademie. Doch die besten Zeiten hat das Ensemble offenbar schon hinter sich. Nach der Emeritierung Trumpfs blieben zwar manche Mitglieder an Bassiona Amorosa hängen - allerdings nur nebenher, da Giorgi Makhoshvili, Ljubinko Lazić, Jan Jirmasek und Andrew Lee sonst in großen Orchestern oder als Dozneten beschäftigt sind. Spätestens seit Jirmasek dazukam, steht auch die instrumentale Perfektion nicht mehr so sehr im Vordergrund, sondern die Unterhaltung des Publikums mit performativen Einlagen.

Wer noch den exzellenten Virtuosen Roman Patkoló hören konnte, durfte den Höhepunkt der kammermusikalische Feinsinnigkeit von Bassiona Amorosa erleben. Die jetzige Besetzung profitiert nur noch vom guten Ruf des Ensembles. Mit der Armenierin Lilian Akopova steht allerdings erneut eine vielseitige Pianistin auf dem Podium. In ihrer solistischen Einlage mit Tschaikowskys Blumenwalzer-Variationen präsentierte sie sich als kraftvoll protzende Tastenvirtuosin, die es mit der Substanz der vier Kontrabässe locker aufnehmen konnte. Bravourös stellte sie das in Liszts "Liebestraum" und "Ungarischer Rhapsodie Nr. 3" unter Beweis: mit stimmungsvollem Wogen und perlenden Kadenzen bis hin zu musikantischer Wucht. Gerade wenn sich das Streichquartett XXL in den einfühlsamen Begleitpart zurückzog, wurde man durchaus an die alten Zeiten erinnert: Die vier einstigen Trumpf-Schüler beherrschen ihr Fach gewiss immer noch. Mit dem Duo von Johann Matthias Sperger führten auch Lazić und Lee ihre Bässe als feinste Kammermusikinstrumente ein, fern jeglicher Schwere und Trägheit, wie sie etwa im Quartett als Elefant im "Karneval der Tiere" von Camille Saint-Saëns zu hören war. Aber sonst fehlte es meist an Sorgfalt, Präzision und Intonation. Mit den Jahren schlich sich wohl zu viel Routine ein, sodass Stücke wie "Passiona amorosa" von Bottesini, "Säbeltanz" von Chatschaturjan oder "Circus Valse" von Makhoshvili nicht mehr mit der Leidenschaft erklangen, mit der das Ensemble einst das Publikum von den Stühlen riss. Standing Ovations wie 2010 in der Carnegie Hall in New York gehören jedenfalls der Vergangenheit an - auch wenn das Publikum in Tutzing stürmisch applaudierte. Die Slapstick-Einlage mit einem von Jirmasek gesungenen tschechischen Schlager in der Zugabe aber bestätigte nur, dass sich das Ensemble vom klassischen Genre verabschiedet hat und seine Zukunft wohl eher im anspruchsvollen Musikkabarett sucht.

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