Süddeutsche Zeitung

Konzert:Seltene Hommage

BR-Symphoniker ehren Clara Schumann

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Was für eine faszinierende Frau muss Clara Schumann gewesen sein, die zwischen Geburten, Fehlgeburten und Kindererziehung großartige Konzerte gab, sich rührend um ihren geistig abdriftenden Mann Robert kümmerte und auch noch dazu in der Lage war, einige anspruchsvolle Kompositionen hervorzubringen. Die BR-Symphoniker widmeten ihr nun zum 200. Geburtstag ein Kammerkonzert in Tutzing, eine seltene Reverenz, erst recht mit einem Repertoire durchweg von Komponistinnen. Denn bis heute werden ihre Werke als nachrangig angesehen. Auch in der Evangelischen Akademie Tutzing war der Musiksaal nicht so voll wie gewohnt.

Komponieren Frauen anders als Männer? Nicht unbedingt. In der Erfindung von Themen und Motiven stand Clara Schumann auf jeden Fall ihren männlichen Zeitgenossen in nichts nach. Andrea Kim (Violine), Uta Zenke-Vogelmann (Violoncello) und Anne Schätz (Klavier) gingen an Clara Schumanns g-Moll-Trio op. 17 von 1846 beherzt und hingebungsvoll heran, sodass sich allenfalls eine ungewohnte Überfülle im Ausdrucksspektrum zeigte, mit dem das Ensemble einen packenden dramaturgischen Bogen im emotionalen Auf und Ab der Romantik formte. Und wie sich der sehnsuchtsvolle Gesang im Andante hochdramatisch verdichtete oder die aufwühlende Intensität im Schlusssatz vorandrängte, hatte enorm viel Substanz und Tiefe.

Ein zum Bersten spannungsgeladenes Werk von minimalistischer Strenge steuerte Sofia Gubaidulina bei, die einzige noch lebenden Komponistin im Programm, die aus Tschistopol stammt und zweifelsohne zu den führenden Köpfen der Neuen Musik gehört: ihr "Quasi Hoquetus" (eine alte Kompositionstechnik abwechselnd sich ergänzender Stimmen) von 1984. Giovanni Menna (Viola), Wies de Boevé (Konstrabass) und Anne Schätz (Klavier) präsentierten es mit einem extremen Kontrast zwischen einfacher Klavierphrase und atmosphärischen Klangsphären der Streicher.

Eine Generation älter war Germaine Tailleferre, das einzige weibliche Mitglied der "Groupe des Six", die sich von Debussy abgewandt hatte. Dennoch hat der Kopfsatz ihres Streichquartetts von 1918/19 - mit Karin Löffler-Hunziker an der zweiten Violine - durchaus noch impressionistische Qualitäten. Die entrückte Zartheit des Zwischensatzes löste sich davon, erst recht der musikantische Groove im Schlusssatz.

Eine Vorreiterin in der von Männern dominierten Musikwelt war schon vor Clara Schumann die etwa 15 Jahre ältere Louise Farrenc, die es bis zu Klavierprofessorin am Pariser Konservatorium brachte. Ihr viersätziges Quintett op. 30 (in Schuberts Forellenquintett-Besetzung) aus dem Jahr 1839 wies einen dominanten Klavierpart und wunderbare Kantilenen auf. Auch wenn sich in den Überleitungen Schwächen zeigten, war ihr kammermusikalisches Erstlingswerk in einer so engagierten Interpretation ein starkes Stück zwischen straffer Klassik und schwärmerischer Romantik.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4441321
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.