Konzert:Mozarts Kinderlieder

Dießen:  Marienmünster Orgel-Oboenkonzert

Gerhard Schnitzler und Stephan Ronkov bei ihrer Matinee im Dießener Marienmünster.

(Foto: Nila Thiel)

Stephan Ronkov und Gerhard Schnitzler im Duo

Von Reinhard Palmer, Dießen

Eine Orgelmatinee ist schon sehr erbaulich. Das gilt erst recht, wenn musikalische Höhenflüge auf dem Programm stehen. Das war für dieses Dießener Münsterkonzert sogar wortwörtlich gemeint: Ist doch die Wirkung der Oboe, die hier Gerhard Schnitzler spielt, von entrückt schwebenden Weiten. Zumindest im Repertoire, das Kirchenorganist Stephan Ronkov ausgewählt hatte und sich auf die Gegenüberstellung früher und später Werke von Mozart fokussierte. Die späten Kreationen erklangen auf der Orgel alleine, während die frühen Werke des gerade mal achtjährigen Genies eigentlich für Violine (oder Flöte) mit Begleitung komponiert, nach der damals gängigen Praxis aber recht frei auf andere Instrumente übertragbar waren.

Wer glaubt, Mozart hätte keine Kindheit gehabt, wurde hier eines Besseren belehrt. Warum sollte es einem Kind auch keinen Spaß machen, zu musizieren und eigene Stücke zu ersinnen, zumal wenn es ihm so spielerisch von der Hand ging? Die Themen, die der kleine Wolferl erfand, sind durchaus mit Kinderliedern vergleichbar: heiter, vergnügt, galant, sie sprühen vor Farbigkeit und prägen sich leicht ein. Die Sonate C-Dur KV 14, die mit Vorschlagsnoten und durchaus schelmischer Drolligkeit für reichlich Laune sorgte, ist geradezu ein Musterbeispiel kindlicher Naivität. Der dritte Satz mit seiner Höhenleiter musste denn auch unbedingt in der begeistert erklatschten Zugabe noch einmal erklingen.

Mozart verstand es bereits damals, die Farbigkeit mit Chromatik zu steigern und das so typische und raffinierte Changieren zwischen Dur und Moll feinsinnig einzuflechten. Der langsame erste Satz setzte sich noch zum größten Teil tradiert aus Melodiestimme und reiner Begleitung zusammen, doch Rollenwechsel und die gleichwertige Verwebung der Stimmen blieben nicht aus. Bereits die Sonate F-Dur KV 13 hatte dieses musikalische Mittel intensiv angewandt. Die Sonate begann mit einem heiter blühenden Kopfsatz von höchsten Höhen herab, war daher hell und strahlend. Das Moll-Dur-Changieren zeigte bereits deutlich seinen Reiz im Spiel der feinsinnigen Charakterschattierungen. Der monothematische Schlusssatz gab sich mit seinem chromatischen Auf und Ab nahezu experimentell. Später sollte die Chromatik für Mozart ein raffiniertes Mittel der Modulation werden, wie in seinem Adagio und Allegro KV 594 für Orgel, mit dem Ronkov solo beeindruckte. Die Dramaturgie war dort schon klar ausgeprägt, gerade mit der dramatischen Steigerung zum Allegro hin, das sich in hymnischer Größe mit Spannung auflud, um in ein überraschend ruhig sinnierendes Finale umzuschlagen. Am meisten überraschte in der Oboensonate indes wohl der melancholische Schöngesang im Mittelsatz, den der aus Dießen stammende Solooboist der Essener Philharmoniker Schnitzler berührend einfühlsam modellierte.

Trotz der großen Begabung hatte auch Mozart Vorbilder, die in erster Linie unter den Bachs zu suchen sind. Vielleicht auch bei Carl Phlipp Emanuel Bach, dessen Sonate g-Moll die Nummer 1020 vom Bachwerkeverzeichnis trägt, nachdem sie ursprünglich Bach Vater zugeschrieben war. Ronkov und Schnitzler machten die neue Zuordnung deutlich: geschmeidig, galant, tänzerisch beschwingt. Dennoch hob Schnitzlers Oboe auch hier im langsamen Mittelsatz schwebend ab - mit einer weitschweifenden, melancholischen Melodik, wie sie auch eines Johann Sebastian würdig gewesen wäre. Doch Mozart sollte bald seine Vorbilder überflügeln, wie Ronkov hier mit der Fantasie in f-Moll KV 608 für Orgel solo (ursprünglich Spieluhr) vorführte. Das monumentale Eröffnungsthema wie die anschließende, von Ronkov majestätisch und breit interpretierte Fuga nahmen schon an innerer Größe vorweg, was das Duo im Andante pastorale F-Dur op. 98/2 von Josef Rheinberger mit seelentief empfundener Atmosphäre nachhallen lassen sollte.

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