Konzert:Kontrastreiches Spiel

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Dem Simply Quartet gelingt es im Gautinger Bosco, die Zuhörer in höchster Konzentration zu halten.

Von Reinhard Palmer, Gauting

Die überschwängliche Begeisterung des Publikums im frenetischen Schlussapplaus - Trampeln inklusive - kam nicht von ungefähr. Das 2008 in Shanghai und seit 2017 an der Wiener Uni mitunter auch teilumbesetzte Simply Quartet vermochte mit seiner lustvollen Art zu musizieren die Konzertbesucher im Gautinger Bosco mitzureißen und über die gesamte Spielzeit hinweg in höchster Konzentration zu halten. Es musiziert eben nicht vor, sondern ausdrücklich für das Publikum, das sich hier auch explizit angesprochen fühlte. Das ist umso wichtiger, wenn ein etwas gewagterer Kontext im Programm vermittelt werden will. Mozart und Bartók nacheinander zu spielen ist ja nicht gerade naheliegend. Andererseits ist Mozarts Dissonanzen-Quartett (KV 465) auch schon ein harmonisch mutiges Werk. Dass der Komponist dafür C-Dur gewählt hatte, lag wohl daran, dass es die "jungfräulichste" Tonart ist und den Einsatz von Vorzeichen gänzlich der Raffinesse des Komponisten überlässt. Ein Indiz? Wenn ja, dann wohl dafür, dass es möglicherweise der erste Schritt zur noch weit in der Zukunft liegenden Atonalität war. Den Sprung zu Bartók glättete zudem die beherzte und vor allem kontrastreiche Spielweise des Ensembles, das Mozart eine stärker ausgeprägte Dynamik zugestand, als es Verfechter historischer Korrektheit billigen. Hier hätten diese aber einen schweren Stand, denn das Simply Quartet verstand es, trotz großer Kontraste und behutsamen An- und Abschwellens die Mozart'sche Charakteristik zu wahren.

Für das Streichquartett Nr. 6 (Sz 114) von Bartók erwiesen sich vor allem die feinst changierenden Trübungen, in Schwere ausgebreiteten Passagen sowie das ruhelose Vorandrängen als verbindend. Die drückende Atmosphäre der bedrohlichen Krisensituation um den Zeitpunkt des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges herum war durchgehend spürbar und sprach mit melancholischen Klagen wie empfindsamen Lamenti unmittelbar an. Die emotionale Formung des Simply Quartets zwischen drängendem Schmerz, schreiender Verzweiflung wie stillen Leids überzeugte mit ihrer Klarheit und sensibel differenzierender Rhetorik.

All das sollte schließlich in Dvořáks Streichquartett As-Dur (op. 105) zu einem Fest der Sinne werden. Das Werk war ein Abschiedsgeschenk des Komponisten an die Neue Welt, zelebriert amerikanische Stimmungen, scheut aber auch nicht davor zurück, die Sehnsucht nach der böhmischen Heimat mit einzubringen. Gerade dieses Wechselbad der Gefühle und die nahezu symphonische Behandlung des Quartettsatzes gab dem Simply Quartet mit Danfeng Shen und der Österreicherin Antonia Rankersberger (Violinen) sowie Xiang Lyu (Viola) und dem Norweger Ivan Valentin Hollup Roald (Violoncello) eine Fülle an Mitteln an die Hand, alle Register zu ziehen. Trotz der extremen Ausprägungen verlor das homogen an einem Strang ziehende Ensemble die Gesamtform niemals aus den Augen. Vor allem sollte aber auch der klangschöne, warme Melodiegesang nicht zu kurz kommen, der hier immer wieder in wohlige Atmosphäre getaucht tief unter die Haut ging.

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