Konzert:Mit Leidenschaft

Weßling: Pfarrstadl Gesangsquintett 'Mundwerk'

Von "Computerliebe" bis "Komm lieber Mai": die Mitglieder von "Mundwerk" bei ihrem Gastspiel in Weßling.

(Foto: Nila Thiel)

Das Münchner Vokalensemble "Mundwerk" überzeugt im Weßlinger Pfarrstadel mit einfallsreichen Arrangements, einem breiten Repertoire und Demonstrationen in Obertongesang

Von Reinhard Palmer, Weßling

A-cappella-Ensemblegesang hat eine besondere Qualität, die alleine schon fasziniert. Das Feld der Vokalszene wird inzwischen recht dicht beackert, ob es um E- oder U-Musik geht. Die Anforderungen sind daher enorm, zumal viele Klassik-Ensembles mit astreiner Intonation und reicher Klangformung die Messlatte in die Höhe treiben. Dauerhaft darin zu bestehen, erfordert permanente Perfektionierung. Und im U-Segment empfiehlt sich eine Bühnenshow mit reizvollen Choreographien und unterhaltsamer Moderation.

Das Münchner Enemble Mundwerk hat das alles drauf und demonstrierte im Weßlinger Pfarrstadel, dass es beim Publikum ankommt. 2002 hatte alles mit einem Männerquartett begonnen, das 2006 zum gemischten Quintett wurde, seit 2016 in der heutigen Besetzung mit Birgit Pfirstinger (Sopran), Susanne Mörtl (Alt), Alexander Seitz (Tenor), Gründungsmitglied und Arrangeur Jens Ickert (Bariton) sowie Christian Wolf (Bass). Über viele Jahre zu bestehen und am Puls der Zeit zu bleiben, erfordert viel Energie. Aber alle fünf Vokalisten sind passionierte A-cappella-Ensemblesänger und mit Leidenschaft dabei.

Die Homogenität des Ensembles erlaubt solide harmonische Gründe, über die sich die Ensemblemitglieder einfühlsam solistisch emporheben können. Da entsteht schon viel Atmosphäre in Songs wie "Volare", dem Kraftwerk-Hit "Computerliebe" mit dem Refrain "Die Module spielen verrückt" oder auch in dem kunstvoll arrangierten Gospel "Go tell it on the mountain". Entscheidend ist die Intonationssicherheit, insbesondere, wenn mit Jazzharmonien in Titeln wie "Words" oder dem rockigeren "Interlude 1" der Band Alt-J trotzdem absolute Klarheit gewahrt sein muss, damit aus dem fünfstimmigen Satz keine nebulösen Cluster werden. Ganz zu schweigen von der Verständlichkeit der Texte, die hier bis ins Detail sauber rüberkamen.

Stimmlich gut, intonationssicher und einfühlsam zu singen, ist aber auch noch nicht genug, um sich aus der Masse der Ensembles herauszuheben. Dafür sind schon besondere Alleinstellungsmerkmale nötig. Was die herausragenden Qualitäten von Mundwerk ausmacht, ist schwer herauszugreifen. Vielleicht die abwechslungsreichen Arrangements, gekoppelt an ein hervorragendes Beatboxing, mit dem vor allem Seitz brillierte, bisweilen vom Walkingbass aus der Kehle Wolfs mitgetragen und klanglich abgerundet. Ein Highlight fürs Publikum war zweifelsohne der Obertongesang, den das Quintett mit einem sechsstimmigen Satz im Kanon "Bruder Jakob" beziehungsweise "Frère Jacques" mal ohne Mikros vorstellte. Aber das Ensemble ließ es nicht dabei bewenden, Ickerts Stimmakrobatik vorzuzeigen. Der Bariton führte das Publikum mit kleinen Vorübungen auch in die Kunst dieses mongolischen Gesangs ein, indem jeweils über dem Grundton ein Oberton hervorgehoben wird. Mit "Komm lieber Mai" gab es dann noch eine solistische Einlage in dieser magisch anmutenden Gesangstechnik.

Den größten Raum im Repertoire von Mundwerk nehmen vor allem unterhaltsame Titel ein, bisweilen mit spaßigen Texten. Da geht es dann um die Frage, was wäre, wenn es den Konjunktiv nicht gäbe. Dem Diätwahn der Frauen bringt das Ensemble "In jeder Frau steckt ein Stück Hefe" entgegen. "Prosecco" erzählte von Überraschungen beim Erwachen, wenn Frau mal zu tief ins Glas geschaut hat. Und es gibt auch die kleine Belehrung für die Oberschüler: Naturwissenschaftliches Wissen ist gut, aber nicht, wenn die Frau beim Rendezvous am Meer von Rosenduft, Mondschein und Sternen schwärmt. Das Ende ist absehbar: "Und dann ging sie ohne ihn nach Haus." Etwas obszön ging es hingegen in "Kriech nicht da rein" zu, wo es um die Anbiederung beim Chef zur Melodie vom Uraltschlager "Griechischer Wein" ging. Selten kommt ein A-cappella-Programm ohne Titeln der Comedian Harmonists aus. Mundwerk warf aber den kleinen grünen Kaktus mit Veronika in einen Topf, schüttelte kräftig und zog eine heitere Rockpersiflage heraus. So blieb dem Publikum Abgegriffenes erspart. Begeisterung bei den zahlreichen Zuhörern und drei Zugaben.

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