Süddeutsche Zeitung

Konzert:Mit großer Geste

Mikhail Khvostikov und Lika Bibileishvili brillieren in der Kapelle der Klinik Starnberg

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Vor ein paar Jahren konzertierten die beiden jungen Musiker schon einmal in der Kapelle des Starnberger Klinikums. Und dem engagierten Auftritt nach zu urteilen, kamen sie gerne wieder. Der russische Flötist Mikhail Khvostikov und die georgische Pianistin Lika Bibileishvili sind es als Stipendiaten von "Yehudi Menuhin Live Music Now" gewöhnt, an ungewöhnlichen Orten zu musizieren, ohne Abstriche in der Qualität zu machen. Einzig das E-Piano lieferte nicht die nötige Sensibilität, Bibileishvilis Potenzial folgen zu können. Das war wohl der Grund dafür, dass sich das Duo mit einem durchweg substanz-, aber auch lustvollen Zugriff präsentierte. Der einzige Weg, Defizite des Instruments geschickt zu umgehen.

Aber auch in der interpretierten Musikliteratur setzte das Duo auf fulminante Werke, in denen zudem die Flöte dominierte. Bis auf Friedrich Kuhlaus "Introduktion und Rondo" op. 98a, in dem beide Instrumente sich gegenseitig anfeuerten und auf Augenhöhe eng miteinander dialogisierten. Hier wurde die Homogenität des kleinstmöglichen Ensembles besonders deutlich, verlief doch das ausgeprägt emotionale Auf und Ab nach einer überaus griffigen Dramaturgie, obgleich die dem Werk eigene, reiche Differenzierung der Spielweisen sicher nicht leicht zu bändigen war.

Gerade diese Üppigkeit in Farbigkeit und den Spielvarianten war den Kompositionen im Programm gemeinsam, da alle Sätze ausgeprägte Charakteristika aufwiesen und daher spieltechnisch Flexibilität sowie Entschiedenheit im Ausdruck erforderten. Beide Musiker bewiesen dabei reichlich Temperament: Mit ihrem satten Zugriff deckten sie viele Varianten auf, ohne allerdings den Eindruck der Beliebigkeit oder gar der selbstzweckmäßigen Anreihung zu wecken. Mozarts feierliches Rondo D-Dur KV 184 Anh. (Eigenbearbeitung des Komponisten) lieferte mal wieder das schlüssigste Changieren in den Ausprägungen. Das Duo griff die Gelegenheit auf, mit einer Dramaturgie der großen Gesten wirkungsvolle dramatische Höhepunkte herauszuarbeiten.

Einzig Philippe Gaubert vermochte in seinem "Nocturne und Allegro scherzando" der Mozart'schen Vollkommenheit etwas entgegen zu setzen. Seine feinsinnig differenzierte und farbenreiche Erzählung glitt in der Ausführung nahtlos in die Melodik des Allegro, pfiffig kontrastiert mit spritzig sprunghafter Humoristik. Khvostikov hatte auf seinem Instrument immer wieder viel zu singen, substanzvoll und einfühlsam vom Klavier begleitet. Dabei blieb es aber nicht, und vor allem der Flötist bekam reichlich Möglichkeiten, konzertant-virtuos aus dem Vollen zu schöpfen.

So begann "Il Pastore svizzero" von Pietro Morlacchi furios, um sogleich eine sentimental-melancholische Weise anzustimmen. Zwei kontrastierenden Charakteristika, die bestimmend bleiben sollten. Ähnlich war es auch bei Jules Demersseman in seiner "Grande fantaisie de concert sur 'Oberon'" op. 52, in der Webers Opernthemen für romantische Schönmelodik sorgten, bevor sie in den Variationen des Franzosen mit brillanter Virtuosität mitrissen. Ein Kontrastprogramm, das Khvostikov und Bibileishvili stets wirkungsvoll zu inszenieren verstanden, dank der wie selbstverständlich wirkenden Einhelligkeit des Duos in der Gestaltung.

Alles passierte angemessen dosiert. Musik des 18. Jahrhunderts etwa verlangt in ihrer Galanterie dennoch einen sinnenfreudigen Zugriff. Der berühmte Flötist Michel Blavet komponierte allerdings auch dafür, seine virtuosen Fähigkeiten am Instrument zu demonstrieren. So durchwanderte seine fünfsätzige Sonate ein weites Ausdrucksspektrum, verbunden mit den entsprechenden spieltechnischen Varianten, die das Duo deutlich ausgeprägt ins Spiel brachte. Die Begeisterung des Publikums belohnten die Musiker mit Vittorio Montis berühmtem Csárdás in effektvoll freier Formung.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2017
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