Süddeutsche Zeitung

Konzert:Klingende Versöhnung

Ein Trio um die Geigerin Marie-Josefin Melchior spielt Weltmusik in der Klinik Starnberg

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Gewiss, Globalisierung hat ihre heiklen Seiten. Dabei könnte sie wunderbar funktionieren, wenn sie dem respektvollen Modell der Weltmusik folgen würde. Über die Weltmusik hat sich bis dato wohl auch noch niemand echauffiert, ganz im Gegenteil, der Zulauf ihrer Anhänger hält an. Auch in der Kapelle der Klinik Starnberg fanden sich viele Besucher ein, als Harfenist Kiko Pedrozo, Geigerin Marie-Josefin "Finni" Melchior und der Akkordeonist Hansi Zeller zu einer weltmusikalischen Reise einluden - drei vielseitige Musiker und Musikanten, die sich zu ihren Wurzeln bekennen, andererseits neugierig auf das sogenannte Fremde sind. Und fremdländische Folklore zu spielen, bedeutet auch, die Menschen ein Stück weit besser zu verstehen.

Zunächst müssen dafür allerdings die unterschiedlichen Spieltechniken verinnerlicht werden, um dem jeweils eigenen musikalischen Charakter gerecht werden zu können, was das Trio längst aus dem Effeff beherrscht. Aber ob französisches Chanson, argentinischer Tango, Klezmer oder Zwiefacher: Trotz der Unterschiede finden sich auch Überschneidungen, wenn etwa in einem Klezmer plötzlich alpenländische Schunkelstimmung aufkommt. Alles Erinnerung daran, dass Globalisierung kein neues Phänomen ist .

Weltmusik ist im Grunde internationale Volksmusik - und doch etwas anderes. Der Blick der Interpreten von außen eröffnet neue Perspektiven, die das Trio für fesselnde Dramaturgie nutzte. Etwa in einem irischen Folksong, der mit einem Windeffekt aus dem Akkordeon-Blasebalg begann. Mit zarten Tönen betörte eine schlichte Melodie, die sich allmählich rhythmisierte und beschleunigte, bis aus ihr ein ausgelassener Tanz wurde.

Aber schon bald folgte ein sehnsuchtsvoll-melancholischer Violingesang und fulminantes Harfenspiel. Den Fluss auszubremsen und spielerisch eine Verzögerung einzubringen, war ein effektvoller Kunstgriff, um Spannung für die nächste Wendung aufzubauen. So behutsam und reich durchgebildet entstanden fesselnde Bildererzählungen, die in den Kommentaren der Musiker allerdings allzu sehr ins Humorige drifteten.

Eine Besonderheit bot Pedrozo an, als er einem Rhapsoden gleich ein paraguayisches Lied in seiner Muttersprache Guarani mit Harfenbegleitung vortrug: die Sprache der indigenen Bevölkerung Paraguays, die zu den ersten gehörte, der einst die sogenannten Amerika-Entdecker entgegentraten, als die Globalisierung blutig begann. Heute hält die UNESCO ihre schützende Hand über diese musikalische Hochkultur. Den Musikern ging es indes darum, die Welt unter einem Bogen wohlklingend zu versöhnen. Das gelang und kam gut an.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2018
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