Konzert in Andechs:Pop aus vergangenen Zeiten

Andechs, Kloster Florianstadl, Amerseerenade 2021, Janoska

Das Jánoška Ensemble muss das Publikum im Florianstadl des Klosters von Ekstase auf Euphorie herunterkühlen.

(Foto: Georgine Treybal)

Das gefeierte Jánoška Ensemble aus Wien eröffnet die "Ammerseerenade" mit einer musikalisch mitreißenden Darbietung

Von Reinhard Palmer, Andechs

Am Ende müssen stehende Ovationen herauskommen. Darunter machen sie es nicht. Am besten mit finaler Ekstase in den Zugaben. Meistens müssen die drei slowakischen Brüder aus Bratislava, Ondrej (Violine), Roman (Violine) und František (Klavier) Jánoška, sowie der deutsche Ehemann ihrer Cousine, Julius Darvas (Kontrabass), in der letzten Zugabe ein paar Gänge herunterschalten, um den Auftritt überhaupt beenden zu können. In diesem Eröffnungskonzert der siebten "Ammerseerenade" im Andechser Florian-Stadl war es eine gute Gelegenheit, das Finale mit ihrem Special Guest, dem vierten Bruder Arpad Jánoška (Gesang), bestreiten zu können. Mit einem sentimental-wehmütigem Liebeslied des Mexikaners Armando Manzanero, der vor wenigen Monaten verstorben ist, konnten sich denn auch die Gemüter von Ekstase auf Euphorie herunterkühlen.

Und dies bei coronabedingter reduzierter Publikumsbesetzung. Was bei vollem Haus sonst los ist, hatten die meisten Konzertbesucher noch gut in Erinnerung, begleiten doch die Jánoškas die Konzertreihe schon von der ersten Ausgabe an. Die Kunde vom schier unermesslichen Zuspruch, den das in Wien beheimatete Ensemble stets erntet, gelangte sogar bis zu Landrat Stefan Frey (CSI), der es sich nicht nehmen ließ, eine Begrüßungsrede zu halten, um auch die Verbrüderung der Starnberger- See- mit der Ammersee-Region hervorzuheben.

Offenbar bedeutet es, in die Jánoška-Familie hineingeboren zu werden, zugleich auch, ein musikalisches Erbe anzutreten. Seit sieben Generationen sei es schon so, berichtete Darvas in der Moderation. Und der Clan ist groß. Es werden etwa 150 Mitglieder der Jánoška-Familie geschätzt, berichtete Doris M. Pospischil in ihrer Ansprache stellvertretend für das Organisationsteam, selbstverständlich nicht ohne die Werbetrommel für die Sponsoren zu rühren.

Der selbst propagierte Jánoška-Style ist so einfach wie effektiv. Wobei das oberste Ziel offenbar darin besteht, die Zuhörer zu euphorisieren und mitzureißen. Und dazu ist dem Ensemble fast jedes Mittel recht, solange es dieses Ziel erreicht. Mit werktreu interpretierter Klassik ist das zumindest hierzulande kaum noch zu schaffen, ist dieses Genre doch bereits über Jahrzehnte hinweg systematisch in die Nische gedrängt worden. Klassisch ausgebildet, wissen es die Virtuosen des Jánoška-Quartetts allzu gut. Aber wenn man schon die Instrumente auf so schwindelerregende Weise zu spielen versteht, macht man auch Gebrauch davon. Durchaus mit populären Zitaten aus der klassischen Literatur. Mozart kommt immer gut an, Bachs Air ist beliebt, Beethovens Mondschein-Sonate verzaubert genauso bis heute. Und dies vermengen die geschickten Arrangeure aus eigenen Reihen und wendige Improvisateure dann mit Hits der Rock-, Pop- und Jazzgeschichte so nahtlos, als hätten die U-Musik-Komponisten von den Klassikern geklaut. Hätten? Doch die Hoffnung zu hegen, das Publikum würde dadurch verstehen, dass Klassik nichts anderes ist, als Pop aus vergangenen Zeiten, ist wohl zu hoch gegriffen. Hier ging es auch vielmehr darum, die emotionalen Potenziale zu nutzen und in einem permanenten Wechselbad der Gefühle die feurige Substanz in einem Auf und Ab sukzessive zu steigern, mit einem Feuerwerk an Klang, Virtuosität, Volumen und Farbenreichtum im Höhepunkt. Eine äußerst wirkungsvolle Dramaturgie.

Das vorgestellte Album "Revolution" befasst sich mit der Synthese aus klassischer Literatur und Songs der Beatles. Programmgemäß solchen, die jeder bis heute im Ohr hat wie "All you need is Love", "Yesterday" oder "Hey Jude", dessen Refrain sich als absolut ekstasetauglich erwies. Es kamen aber auch ältere Kompositionen zum Zuge, die hier schon früher erfolgreich waren. So etwa die zwei Jánoška-Söhnen gewidmeten Kompositionen "Hello Prince!" und "Leos Dance", die - vom Anlass her verständlicher Weise - ein üppiges Spektrum an musikalischen Elementen, Charakteristika und spieltechnischen Finessen auf den Plan rufen, bis hin zu fetziger Ausgelassenheit, ja sogar entfesselter Wildheit. Anders im von Arpad Jánoška wehmütig wie inbrünstig gesungenen "Oblivion" von Astor Piazolla, der dieses Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Eine willkommene Erholungspause im sonst hochtourigen Programm.

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