Konzert:Feuerwerk der Klangfarben

Konzert des Jungen Orchesters München; Im Haus der bayerischen Landwirtschaft

Die Musiker des Jungen Orchesters sind älter als in vergleichbaren Ensembles. Darum kann ihnen der Musikalische Leiter Andreas Pascal Heinzmann im Repertoire mehr zumuten.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Junge Orchester München meistert im Haus der Bayerischen Landwirtschaft in Herrsching ein gewagtes Programm aus dem 19. Jahrhundert. Leiter Andreas Pascal Heinzmann kann sich glücklich schätzen, über eine starke Bläsersektion zu verfügen

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Es gibt viele Jugendorchester in München. Dennoch gelingt es den meisten, sich ein eigenes Profil zu erarbeiten. Das trifft auf das Junge Orchester besonders zu. Es setzt altersmäßig höher an, was in der Regel bereits mehr Erfahrung im Zusammenspiel mit sich bringt. Musikalischer Leiter Andreas Pascal Heinzmann kann daher dem Projektorchester, das sich alljährlich neu formiert, im Repertoire mehr zumuten. Das tut er auf eine originelle Weise mit Werken jenseits der geläufigen Standardliteratur und mit stimmigen inhaltlich-thematischen Konzepten. Und das kommt beim Publikum offenbar gut an: Der große Saal im Haus der Bayerischen Landwirtschaft beim VHS-Konzert füllte sich bis auf den letzten Platz.

Gewagt war es schon, ein Programm aus dem 19. Jahrhundert anzugehen, das Klangmalerei sowie bilderreiche Narration fokussiert und dabei wenig festen Halt bietet. Es ging zwar um konkrete Programmatik, doch in einer ausgesprochen freien Form, die stark von einer homogenen Durchbildung des Orchesters abhängt und viel Sinn für klangliche Nuancen und Farbcharaktere erfordert. Dass es so gut klappte, lag gewiss in erster Linie am Vertrauen der Instrumentalisten auf Heinzmann, der die Dramatik des jeweiligen Werkes mit einer zwar sparsamen, dafür aber klaren und ausdrucksstarken Körpersprache und Gestik schlüssig einer nahtlosen Entwicklung unterzog.

In Rossinis Ouvertüre zu "Die diebische Elster" ließ sich Heinzmann nicht allzu sehr von der Opernhandlung vereinnahmen und konzentrierte sich auf das symphonische Spannungsmanagement dieser expressiven Musik, die sich ja schon mit dem Trommelwirbel zu Beginn mächtig mit Energie auflädt. Die Arbeit mit extremen Spannungsbögen machte die Bilderwechsel zu Überraschungsmomenten, in denen sich schon starke Wendungen vollzogen. Marschparade, leicht beschwingter Galopp, galantes Tänzchen, wuchtige Dramatik und schließlich ein wirbelndes Finale mit Temperament: Heinzmann formte jede Ausprägung mit großem Nachdruck und Sorgfalt im Detail. In Tschaikowskis Fantasieouvertüre "Romeo und Julia" bedeutete dieser Ansatz einen Reichtum an Differenzierung, der die Einheit des Werkes fast schon zu sprengen drohte. Aber wie schon bei Rossini war Heinzmann mit seiner klugen Ausarbeitung der Übergänge gut dafür gewappnet, die vielen musikalischen Charaktere und Bilder in eine leicht verständliche Logik zu bringen. Erstaunlich hier nicht nur die Präzision in der scharf geschnittenen Rhythmik in schmissiger Leichtigkeit, sondern auch die Klangbalance des Orchesters, mit der es Heinzmann gelang, die Dramaturgie auf Basis der Klangfarben zu entwickeln.

Aber das ließ sich noch steigern, zumal Rimski-Korsakows sinfonische Dichtung "Scheherazade" op. 35 vollgestopft ist mit Gestaltungselementen, die allerdings erst einmal gebändigt werden wollen. Heinzmann hatte dafür eine klare Vorstellung und inszenierte seine Bilder souverän. Im Grunde war es eine dankbare Aufgabe, denn das Werk hat keine schwachen Momente. Unentwegt geschieht etwas. Schon der Anfang versprach eine schier überbordende Ausdrucksbreite: Die dunkle Dramatik der ersten Takte beantwortet eine rhapsodische Passage mit betörendem Gesang der Solovioline über schönfarbiger Harfenbegleitung, vom Orchester fortgeführt und mit folkloristischen Elementen angereichert. Letztere erwiesen sich als das zentrale Element, das mit orientalisierenden Klängen der Komposition ihren märchenhaften Charakter verlieh. Kompositionstechnisch gesehen war es die Vielfalt an instrumentalen Kombinationen, die dem Werk eine so üppige Fülle an Klangfarben angedeihen ließ. Zu diesem Zweck konnte sich Heinzmann glücklich schätzen, über eine für Jugendorchester starke Bläsersektion zu verfügen, die nicht nur weitgehend sicher intonierte, sondern auch spieltechnisch für feinsinnige Nuancen zu sorgen verstand. Das animierte die Streicher, noch sorgfältiger ausbalancierte Farbfolien zu hinterlegen. So geriet dann der finale Satz, in dem "das an dem Felsen mit dem ehernen Reiter zerschellende Schiff" Sinbads, so Rimski-Korsakow, detailreich erklang, zu einem Feuerwerk erzählerisch-bildhafter Elemente, das aus Heinzmanns Spannungsmanagement viel Emotionalität und Dramatik schöpfte. Frenetische Ovationen blieben denn auch nicht aus.

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